Amen

Leo Kirch ist der letzte grobe Klotz aus dem Satirebaukasten der fünfziger Jahre. Obwohl sich eines Tages herausstellen könnte, daß ihm nichts, dem Handelsriesen Otto Beisheim aber alles gehört, darf Kirch bis auf weiteres als der letzte große Eigentümer gelten unter all den angestellten Managern. Aktienpaket nach Aktienpaket stopft er sich dahinein, wo der Herrgott das größte Loch gelassen hat in dieser Physiognomie, die an einen pensionierten Frankenstein-Darsteller erinnert oder an einen mehrfach gelifteten Helmut Kohl. Der Kirch hat einen guten Magen. Hat Filmvorräte, Fernsehsender aufgefressen, sich nicht an Springer übergessen. Kann Bertelsmann auch noch vertragen. Sein Appetit wird erst erschlaffen, wenn die Endprodukte seiner Geschäftsvorgänge aus wirklich allen Kanälen quellen und Wontorra einen Lehrstuhl in Tübingen bekommt. Dann fällt Kirch tot um. Und Ulrich Meyer moderiert das Staatsbegräbnis.

Sein schönster Traum sei ein Monopol, verriet er einmal dem Manager-Magazin. Deshalb und damit es die Kinder einmal besser haben, betreibt er die Akkumulation um der Akkumulation willen und türmt Milliarde auf Milliarde. Was aber ist das für ein psychischer Defekt, der ihn auch dann nicht ruhen läßt, wenn die Deutsche Bank ihn endlich um einen Kredit bittet und die sittliche Idee allabendlich auf SAT.1 zu sich selber findet? Die protestantische Ethik jedenfalls kann es nicht sein, denn der Mann ist zu allem Überdruß auch noch erzkatholisch. Anläßlich der Vermählung eines Aktienpakets mit einem Adelsgeschlecht sah man ihn in der Dorfkirche sitzen wie den Ökonomierat Zapf aus dem "Königlich-Bayrischen Amtsgericht". Von einem jovialen Grinsen verziert, ruhte sein schwerer Leib auf der Honoratioren- bzw. VIP-Bank und versuchte den Eindruck zu erwecken, angesichts seiner müßten all die Huberbauern um ihre saftigsten Weiden fürchten, nicht aber die staatlichen Sender um ihre Existenz.

Wie jeder gewöhnliche Sünder beichtet Leo Kirch unkeusche Gedanken und Völlerei, denn an moderne Geschäftspraktiken reichen die zehn Gebote kaum heran. Und seines Nächsten Esel hat er wirklich noch nie begehrt. Einmal allerdings sündigte er wider die Pressefreiheit, als er den Chefredakteur der Welt stürzen wollte - nicht weil dieser immense Verluste erwirtschaftet, sondern weil er einen zustimmenden Kommentar zum Kruzifix-Urteil durchgehen ließ. Vermutlich wird Kirch vom Größenwahn getrieben, da ihm bei der Erschaffung der Welt dummerweise einer zuvorkam, möchte er wenigstens das Bild der Welt ganz neu und nach seinem Geschmack erschaffen. Das Kapital sei der Geist und die Macht und die Seligkeit. Johannes B. Kerner sei das Höchste, was die Humanitas hienieden je wird erreichen können. Und das tägliche "Boulevardmagazin" von Sat.1 heißt übrigens deswegen "blitz" und nicht "Bild-TV", weil,

so meldet es der Spiegel, "die Bild-Zeitung ihr Renomee nicht aufs Spiel setzen" will. Soweit also hat es Leo Kirch schon gebracht - daß Bild im Fernsehen ums Renomee fürchten muß. Lasset uns beten.

Und wenn wir dereinst unsere goldene Amex-Karte ins Empfangsgerät einführen müssen, um die Champions League zu sehen, so wollen wir dankbar sein. Denn auf die Spiele der Bayern München AG ist - Antenne hin, Decoder her - schon heute geschissen.