Der Osten im Westen

Vertriebenenblatt Deutscher Ostdienst entdeckt Ostbelgien als Einsatzgebiet

Die Zeitschrift Deutscher Ostdienst (DOD) befaßt sich, wie der Name es ahnen läßt, normalerweise mit "deutschen Ostgebieten". Als "Informationsdienst des Bundes der Vertriebenen - Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände" verstärkt er das großdeutsche Säbelrasseln gegenüber den östlichen Nachbarstaaten. In seiner symbolisch auf den 3. Oktober datierten Ausgabe hat der DOD im Westen ein weiteres Einsatzgebiet ausgemacht: das deutschsprachige Ostbelgien. Auf drei Seiten schwadroniert "RUG (DOD)", so das Autorenkürzel, über "die deutschsprachige Gemeinschaft im föderalisierten Belgien". So lautet zumindest der Titel. Die Stoßrichtung des Textes wäre genauer umschrieben mit: "Die deutsche Volksgruppe im zerfallenden Belgien und ihre Zukunft im Mutterland Deutschland".

Bisher kannte man die publizistische Artikulation solcher Anschlußgelüste nur aus der rechtsextremen Presse. Die Deutsche National-Zeitung und die Junge Freiheit greifen dazu jeden innerbelgischen Streit zwischen Flamen und Wallonen über die Zukunft des Landes beziehungsweise eine mögliche Teilung begierig auf. Jetzt beklagt auch der DOD, Deutschland sei "bislang das der drei 'Mutterländer', das die belgische Diskussion völlig desinteressiert verfolgt und mögliche Folgen eines Auseinanderbrechens von Belgien für die Bundesrepublik" ignoriere.

Ein Artikel aus der Feder von Nicolaus Rudeck in der Jungen Freiheit liest sich wie die Vorlage für das "Ernstfall"-Szenario, das der DOD ausbreitet. Mit wenigen feinen Unterschieden: Schloß Rudeck seinen Artikel vor einem Jahr noch mit den Worten, "die denkbare Vereinigung mit Deutschland" wage "niemand in den Mund zu nehmen" (JF 32-33/96), wird im DOD bereits detailliert ausgeführt, wie der Kuchen auf die angrenzenden Bundesländer verteilt werden soll: "In Deutschland (...) verlören die Deutschbelgier zwar ihre administrative Sonderrolle, wären jedoch mit ihrem wirtschaftlichen, kulturellen und historischen Hinterland vereint, wenn auch vielleicht nur als Landkreise der Bundesländer Nordrhein-Westfalen (Eupen) und Rheinland-Pfalz (St. Vith)."

Ganz so untätig, wie im DOD behauptet, ist Deutschland jedoch nicht. Seit etlichen Jahren sind hiesige Pangermanisten jenseits der Grenze aktiv. In enger personeller und finanzieller Verknüpfung mit dem aus Bundesmitteln reich geförderten Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) und der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) agierte die Düsseldorfer Hermann-Niermann-Stiftung (HNS) in Ostbelgien. Und sorgte dabei, wie auch in Elsaß-Lothringen und Süd-Tirol, für etliche Skandale. So tat sich die HNS mit nach deutschem Recht illegalen Parteienfinanzierung zu Gunsten der Partei der Deutschsprachigen Belgier (PDB) hervor. Spuren führten von den separatistischen Terroristen von "Ein Tirol" zur HNS. Auch finanzierte die HNS die Verteidigung der antisemitischen und separatistischen "Schwarzen Wölfe", die in Elsaß-Lothringen aktiv waren.

In den Führungsgremien der HNS saßen über Jahre pangermanistische Funktionäre, um deren Einstufung als Rechtsextremisten auch bundesdeutsche Behörden nicht herumkamen, während gleichzeitig Ministerien in Düsseldorf und Bonn das Stiftungstreiben deckten. Nach 1987 wurde zwar das am meisten belastete Personal, darunter wegen Terrorakten verurteilte Separatisten, ausgetauscht, doch die Kontinuität blieb gewahrt. Vorstandsvorsitzender wurde Uwe Stiemke, Beamter im Bonner Innenministerium mit SPD-Parteibuch. Mit Leo Weiler sitzt ein weiterer Beamter dieses Ministeriums in der Stiftungsspitze. Daneben tummeln sich Funktionäre aus VDA und FUEV in der HNS. Sie überweisen munter und von außen kaum durchschaubar (öffentliche) Gelder hin und her, die dann für die völkische Sache verwendet werden. Stiemke wurde gerichtlich attestiert, daß er während der juristischen Auseinandersetzung um das Treiben der HNS in Ostbelgien "wiederholt wider besseres Wissen Unwahrheiten" verbreitet habe. Auch darf, wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit der Ablehnung seiner Klage gegen den Eupener Journalisten Freddy Derwahl entschied, über Stiemke behauptet werden, er sei "Mitwisser einer Konspiration (...) zwischen der Partei der deutschsprachigen Belgier (PDB) und (...) Hermann Niermann" gegen den belgischen Staat gewesen.

Die nachweisliche personelle und programmatische Kontinuität mit VDA und FUEV in den zwanziger bis vierziger Jahren weisen die honorigen Herren aus dem heutigen VDA, FUEV und HNS entrüstet zurück. Ebenso den Vorwurf, sie leisteten Vorfeldarbeit für Anschlußpläne. Dennoch fühlt man sich in Ostbelgien an historische Vorbilder erinnert. Im Versailler Vertrag wurde das Gebiet dem belgischen Staat zugesprochen, doch mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland leisteten Pangermanen erhebliche Vorarbeit für die Heimholung ins Reich während des Zweiten Weltkrieges.

Der Bund der Vertriebenen als Herausgeber des DOD hat kaum eigene Einnahmen und sein laufender Betrieb wird zu 100 Prozent aus Bundesmitteln bestritten. Die Bundesregierung finanziert so auch den publizistischen Anschlußtraum, für den der Pressesprecher BdV, Walter Strattmann, als Chefredaktuer des DOD, und Fritz Wittmann, CSU-Bundestagsabgeordneter und BdV-Präsident, verantwortlich sind.