Hools »im Briefkasten«

Autonome Antifa-Gruppen demonstrieren in Essen

Anläßlich des Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November mobilisieren zahlreiche antifaschistische Gruppen zu einer Demonstration in Essen. "Wir wollen ebenso der Opfer Nazi-Deutschlands und aller anderen Opfer alter und neuer Nazis gedenken", schreiben sie in einem gemeinsamen Aufruf.

Während in den vergangenen Jahren vor allem der rechte Terror in den ostdeutschen Bundesländern wahrgenommen wurde, hat sich in der Ruhrmetropole ein braunes Netz von NPD-Kadern, ehemaligen Mitgliedern der verbotenen FAP und der Hooliganszene etablieren können. Über die Stadtgrenzen hinaus wurde allerdings nur der spektakuläre Mordversuch eines rechtsradikalen Jugendlichen bekannt, der im April letztes Jahres eine 53jährige Migrantin mit mehreren Messerstichen lebensgefährlich verletzt hatte. Dabei dokumentieren selbst die Berichte der Polizei eine Zunahme von Angriffen, die zum Teil zu schweren Körperverletzungen führten.

Dennoch scheint man an Aufklärung wenig interessiert. So wurde bei einem Brandanschlag auf die Jugendbildungsstätte der linksgerichteten Falken im Ortsteil Heidhausen im Oktober 1996 der Verwalter zusammengeschlagen und im brennenden Haus zurückgelassen. Einem in unmittelbarer Tatortnähe beobachteten weißen Fiesta mit einem Kennzeichen aus dem angrenzenden Mülheim widmen die Strafverfolger allerdings wenig Beachtung. Dabei war der Kleinwagen im Zusammenhang mit rechtsradikalen Angriffen auf den Bauwagenplatz und das Autonome Jugendzentrum der Nachbarstadt bereits bekannt. "Der NRW-Verfassungsschutz ist zwar sichtlich bemüht, Mülheim zur Hochburg der BesetzerInnenszene zu erklären. In diese Richtung allerdings hat es keine ernstzunehmenden Ermittlungen seitens des Verfassungsschutzes oder Staatsschutzes in Mülheim und Essen gegeben", resümiert die Antifa.

Doch nicht nur bei Nacht- und Nebelaktionen macht sich die rechte Szene in der Ruhrgebietsstadt bemerkbar. Besonders auf Stadtteilfesten und zu Karneval kommt es regelmäßig zu Umzügen von einem Dutzend bis zu 150 Rechtsradikalen. Seit Jahren treffen sich ehemalige Mitglieder der verbotenen FAP und entsprechender Nachfolgeorgansationen in der am Hauptbahnhof gelegenen Kneipe "Im Briefkasten". Hier geben sich neonazistische Kader aus dem gesamten Ruhrgebiet ebenso ihr Stelldichein wie "nationale Jugendliche" aus der Hooligan-Szene des Fußballvereins Rot-Weiß-Essen. Im Georg-Melches-Stadion sind die "Nazis raus"-Sprechchöre längst rechtsextremen Parolen gewichen. Ein von der Stadtverwaltung eingerichtetes Fanprojekt, das Ausländern wieder den Stadionbesuch ermöglichen soll, wirkt angesichts der "Ruhrfront '86", den "White Pitbulls Essen" und den regelmäßigen "Briefkasten"-Besuchern "Blue Boys" eher peinlich.

Die Demonstration am 9. November soll auf die Essener Verhältnisse aufmerksam zu machen.

Treffpunkt: Willy-Brandt-Platz, 13 Uhr