Dynamisches Trio auf dem Vormarsch

Verteidigungsminister der BRD und Frankreichs pflegen ihren neuen Verbündeten Polen

Es erinnerte alles irgendwie an einen Tournee-Auftritt der drei Tenöre, als Volker Rühe dem Franzosen Alain Richard und dem Polen Janusz Onyszkiewicz Anfang letzter Woche im Blitzlichtgewitter der Journalisten lachend seine Hände zum Bund reichte - vor der Kulisse der Sängerkriegs-Wartburg. Das unförmige Handknäuel des Trios der Verteidigungsminister sollte wohl zeigen, daß künftig einer für alle und alle für einen eintreten werden. Der "eine" ist derzeit Polen, dem die beiden westlichen Nachbarn den für April 1999 geplanten Eintritt in die Nato erleichtern wollen. Ein Novum ist diese spezielle europäische Dreierbeziehung nicht. Bereits 1991 - in einer außenpolitisch brisanten Zeit also - hatten die Außenminister der drei Staaten zur Vertiefung der Kontakte das "Weimarer Dreieck" gegründet. Drei Jahre darauf wurden die Gespräche auf die sensiblen Themenbereiche Sicherheit und Verteidigung ausgedehnt. Bei dem mittlerweile fünften Treffen der Verteidigungsminister vereinbarten Richard, Rühe und Onyszkiewicz, bis zum Jahr 2000 mit gemeinsamen jährlichen Manövern und Expertentreffen ihre militärische Zusammenarbeit zu vertiefen. Unterstützt werden soll auch weiterhin die Ausbildung polnischer Offiziere. Dies sei, so Rühe, vorerst sogar wichtiger als die Rüstungsbeschaffung.

Die Motive, diese Achse Paris-Berlin-Warschau aufzubauen, sind dabei durchaus unterschiedlich. Polen etwa braucht Fürsprecher und Helfer, um vor der "russischen Gefahr", die politische Kreise in Warschau gern beschwören, möglichst schnell in die Nato zu flüchten. Diese Manie ist derart ausgeprägt, daß der polnische Verteidigungsminister in Thüringen ausdrücklich darauf pochte, die Nato-Tür auch den baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland sowie der Ukraine offenzuhalten. Wohl um auch bald über einen Puffer gen Moskau zu verfügen. Onyszkiewicz baut offenbar darauf, daß Rußland sich wie im Fall Polen auch mit diesen Beitritten letztlich abfindet. Ein riskantes Spiel, schließlich hat der Kreml mehrfach davor gewarnt, nun auch noch ehemalige Sowjetrepubliken auf die Seite der Nato zu holen. Für den verhinderten Außenminister Volker Rühe gehört die Aufnahme Polens in die Allianz zu den "vitalen Interessen" der Bundesrepublik. Schließlich könne durch diese Ausdehnung des "Sicherheitsraumes" Stabilität "in dem Gebiet östlich von uns" geschaffen werden, so schrieb er in Soldat und Technik. Dahinter steckt ein tiefes Mißtrauen gegenüber Rußland, wenn nicht mehr. Daran hat sich auch nach der Unterzeichnung der Grundakte Nato-Rußland diesen Mai in Paris nichts geändert.

Nur Tage später betonte Rühe während eines wehrpolitischen Forums der Welt am Sonntag in Berlin, daß man in den Beziehungen zu Rußland noch immer auf "Verteidigungsfähigkeit" als "Rückversicherung gegen unvorhergesehene Entwicklungen" setzt. Zu den Prinzipien friedlichen Miteinanders, die Moskau neben Demokratie und Marktwirtschaft anerkennen müsse, gehöre nun auch das "Recht der freien Bündniswahl". Rußland soll also die beginnende Osterweiterung der Nato dulden, selbst aber die noble westliche Werte- und Verteidigungsgemeinschaft nur als Zaungast in einem gemeinsamen Rat beobachten dürfen. Eine Demütigung, zumal Rußland keinerlei Veto in Bündnisangelegenheiten zugestanden wird. Frankreich schließlich hat sich zwar entgegen früherer Ankündigungen entschlossen, nicht in die von den USA dominierte Nato-Militärorganisation zurückzukehren, mitregieren in Europa will man trotzdem. Vor allem im politischen und militärischen Schulterschluß mit der Bundesrepublik. Ausdruck dessen sind die deutsch-französische Brigade, das 1992 gegründete Eurokorps sowie das Ende 1996 in Nürnberg gebilligte gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungskonzept. Hier boten die Franzosen gar eine Art Mitspracherecht über ihre Atomwaffen an, wohl mit dem Hintergedanken, Washington und seinen Atomschirm etwas entbehrlicher erscheinen zu lassen. Polen paßt als größter osteuropäischer Staat mit einer 248 000-Mann-Armee, 1 700 Kampfpanzern, 437 Flugzeugen sowie über 60 Schiffen auf der Ostsee ausgezeichnet in diese Rechnung, die Dinge in Europa selbst in die Hand zu nehmen. Richard nannte die Zusammenarbeit mit Bonn und Warschau letzte Woche ein "Schlüsselelement für ein zukünftiges europäisches Gleichgewicht".

Polen präsentiert sich in diesem Trio schon seit Jahren als ungeduldiger Musterschüler. So drängte Warschau 1994 darauf, die erste Übung des Programms "Partnerschaft für den Frieden" nicht in den Niederlanden, sondern auf dem polnischen Truppenübungsplatz Biedrusko über die Bühne gehen zu lassen. Polens Bemühungen, seine Armee auf Nato-Standard zu trimmen, wurden erst Anfang Oktober von den Nato-Verteidigungsministern in Maastricht gelobt. Hier half vor allem die Bundeswehr - sozusagen in eigener Sache. Inzwischen gibt es etliche Patenschaften zwischen Divisionen beiderseits der Oder. Polen, Deutsche und Dänen vereinbarten letzten August gar die Aufstellung eines gemeinsamen Nato-Korps Nordost mit der 14. Panzergrenadierdivision Neubrandenburg, der 12. Polnischen Mechanisierten Divison und der Dänischen Divison Fredericia. Die zusammen 30 000 Mann sollen von einem Stab in Szczecin geführt werden, wenn Warschau 1999 erst zur Nato gehört. Hinzu kommt die seit Jahren laufende Ausbildung polnischer Offiziere an Unis der Bundeswehr oder der Hamburger Führungsakademie. Immerhin 250 haben derartige geistige Umrüstungen bereits hinter sich.

Fehlt nur noch die Umrüstung der russischen Kampftechnik. Viel Geld dafür ist nicht vorhanden. So schätzen Fachleute, daß die Nato-Aspiranten Polen, Ungarn und Tschechien zusammen über einen Verteidigungsetat von gerade sechs Milliarden Dollar verfügen. Trotzdem will die polnische Regierung in den kommenden 15 Jahren einen zweistelligen Milliardenbetrag locker machen. Bleibt die Frage, für wen? Auf der Hardthöhe wird befürchtet, daß die US-Amerikaner auf dem osteuropäischen Markt wieder mal das Rennen machen. Deshalb warnt Rühe die künftigen Nato-Neulinge seit langem, keine teuren Waffen aus Hochglanzprospekten zu ordern. Statt dessen forderte er nach den Gesprächen mit Richard und Onyszkiewicz eine verstärkte europäische Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie - natürlich gegen die Nordamerikaner.