Hoffmanns Erzählungen

Ein Pensionär des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes gibt rechtsextremistischen Geschichtslügen offiziöse Weihen

Die Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung kommen im wissenschaftlichen Outfit daher. Doch wenn man liest, "daß die Zeit für endgültige Aussagen hinsichtlich der großen Judenverfolgung noch nicht gekommen ist", weiß man sofort, wo es langgeht. Die Stoßrichtung bleibt klar, auch wenn der Autor präzisiert, es könne "heute nicht mehr um die Massentötungen an sich, sondern nur noch um die Opferzahlen und um die Methodik des Mordens gehen". "In dieser Hinsicht allerdings" seien "freilich noch gewichtige Modifikationen zu erwarten". Wie es sich für ein Blatt gehört, in dem notorische Auschwitz-Leugner wie der Franzose Robert Faurisson und Germar Rudolf-Sheerer schreiben, ficht der Autor im soeben erschienenen Herbstheft "die Sechsmillionenzahl" an. Es können, so die abwegige Gedankenführung, keine sechs Millionen Juden ermordet worden seien, weil diese Zahl "von niemand anderem als dem berüchtigten Ilja Ehrenburg in der sowjetischen Auslandspresse aufgebracht" wurde.

Diese abstruse Argumentation als solche wäre keiner Erwähnung wert. Sie ist typisch für die Verdrehungen, mit denen die international agierenden Kämpfer gegen die historische Wahrheit mit schier unerschöpflicher Phantasie die systematische Vernichtung der europäischen Juden ganz oder teilweise leugnen. Brisant wird der Artikel der Vierteljahreshefte erst durch seinen Autor. Es handelt sich um Dr. Joachim Hoffmann. Er war von 1960 bis 1995 Mitarbeiter im Rang eines wissenschaftlichen Direktors beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA), das dem Verteidigungsministerium untersteht. Rühes Pensionär führt dann auch als Beleg seines Sachverstands seine "jahrzehntelange Berufserfahrung und Berufsausübung im wissenschaftlichen Dienst des Bundes" an und gibt so seiner Variante von Holocaustleugung einen offiziellen Anstrich. Hoffmann kann dies tun, weil das Verteidigungsministerium seinem Treiben seit zwei Jahren tatenlos zusieht, obwohl es bereits über Hoffmanns frühere Beiträge zur Holocaustleugnung informiert wurde. Hoffmanns Buch "Stalins Vernichtungskrieg" war schon im Februar 1996 Gegenstand einer von der bündnisgrünen Abgeordneten Annelie Buntenbach initiierten Fragestunde im Bundestag.

Hoffmann hatte in seiner Schwarte Goebbels Propagandathese vom "Präventivkrieg" gegen die Sowjetunion mit hohem wissenschaftsförmigem Aufwand erneuert. Nebenbei streute er dort gängige Thesen der Holocaustleugnung ein. So konnte er für die "Gasangelegenheit" keine Belege finden; auch die Ermordung von 30 000 Juden in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew zog er in Zweifel. Diese braune Propaganda erschien 1995 im Münchener Verlag für Wehrwissenschaften, versehen mit einem Vorwort eines weiteren Bundesbeamten, dem Leitenden Archivdirektor des dem Bundesarchiv zugehörigen Militärarchivs Freiburg, Dr. Manfred Kehrig. Diese offiziellen Weihen machten das Buch für Rechtsextreme attraktiv. Die Vertriebenen- und die rechtsextreme Presse würdigte Hoffmann in ausführlichen Rezensionen, er trat zum Interview in der Jungen Freiheit an, das Buch avancierte zum Bestseller in der Szene. Das Verteidigungsministerium reagierte mit hartnäckiger Ignoranz. Michaela Geiger trat als parlamentarische Staatssekretärin mit dem Obstinato vor das Parlament, Hoffmanns Buch sei eine "private Veröffentlichung". Außer dieser etliche Male erteilten Auskunft wußte sie noch davon zu berichten, es sei "ein sehr dickes Buch" - gelesen habe sie es nicht.

Bestärkt durch die offizielle Untätigkeit können Auschwitz-Leugner das Renommee einer Bundesbehörde ins Feld und profitieren vom Ansehen, das sich das MGFA durch die Arbeit einiger kritischer Historiker international erworben hat.

Bereits 1996 legte Germar Rudolf-Scheerer einen Text Hoffmanns als "Gutachten" zu seiner Entlastung dem Amtsgericht Tübingen vor. Angeklagt war Rudof-Scheerer wegen der Leugnung des Holocaust in einem von ihm herausgegebenen Katalog mit dem Titel "Grundlagen der Zeitgeschichte". Dieses "Gutachten" war die Grundlage für Hoffmanns jetzigen Artikel. Darin beklagt Hoffmann, mit welcher "Offenkundigkeit" deutsche Gerichte Gutachten ablehnen, die zugunsten der Angeklagten historische Gegebenheiten wie die Gaskammern der Vernichtungslager in Frage stellen. Damit macht er deutlich, welches Ziel er - wie die von der im belgischen Berchem ansässigen Stiftung "Vrij Historisch Onderzoek" herausgegebenen Vierteljahreshefte insgesamt - verfolgt: die juristische Verfolgung der Auschwitz-Leugnung zu stoppen.