Tödliche Verlobung

Wurden zwei führende Neonazi-Kader ermordet, weil sie für den Verfassungsschutz arbeiteten?

Die Morde hatten Schlagzeilen gemacht: Anfang April dieses Jahres wurden der Chef der Kameradschaft Wittenberg, Chris Danneil, und sein Begleiter Olaf Schmidke in Berlin-Adlershof nach einer Neonaziverlobungsfeier von zwei Berliner Nazikadern erstochen. Seit Oktober wird gegen Detlef Nolde, ehemals Cholewa, und Lutz Schillock wegen zweifachen Mords vor dem Landgericht Berlin verhandelt.

Sowohl Nolde als auch Schillock sind seit Jahren in der Berliner Naziszene aktiv: Der 28jährige Nolde war ehemaliger Ostberliner NPD-Vorsitzender, führender FAP-Kader, gehörte zu den Hauptakteuren der Anti-Antifa-Kampagne in Berlin, kandidierte für die Nationalen bei den Kommunalwahlen und war zuletzt Kameradschaftsführer der Kameradschaft Treptow. Und der 34jährige Schillock kann auf eine zehnjährige Karriere in den diversen militanten Berliner Neonazirkeln, zuletzt in der mittlerweile verbotenen FAP, zurückblicken.

Trotz des öffentlich verkündeten Ausschlusses von Cholewa und Schillock aus dem Zusammenschluß der Nationalen e.V. - den deren "Pressesprecher" Christian Wendt, frisch aus der Haft entlassen, pünktlich zu Prozeßbeginn noch einmal in der Nationalen-Postille Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ) bekannt- gab, werden beide Angeklagte durch die Neonazianwälte Hans-Günther Eisenecker, Wolfram Nahrath und Joachim Ehlk vertreten.

Trotz mehrerer Verhandlungstage sind die tatsächlichen Gründe für den tödlichen Streit zwischen den Berliner und den Wittenberger Neonazis nach wie vor nicht vollständig geklärt. Deutlich wurde bisher nur, daß der ebenfalls in jener Nacht im Auto anwesende Danny Thüring, der 1996 vor Chris Danneil Kameradschaftsführer in Wittenberg gewesen war, für den Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt gearbeitet hat. Inwieweit Chris Danneil und Olaf Schmidke, der schon zu DDR-Zeiten für den Staatssicherheitdienst tätig war, ebenfalls als Zuträger des Verfassungsschutzes agierten und die Messerstecherei daher als Racheakt dienen sollte, ist unklar. In einer Einlassung behauptete Lutz Schillock vor Gericht jedenfalls, zu dem Streit im Auto sei es gekommen, weil die Wittenberger Neonazis den beiden Berlinern bohrende Fragen nach ihrer persönlichen und politischen Vergangenheit gestellt hätten. Auf Nachfragen wollte sich Schillock allerdings nicht mehr an den Wortlaut der Fragen erinnern. Er behauptete vielmehr, als er mit Nolde aus dem Auto ausgestiegen sei, hätten ihn Danneil und Schmidke angegriffen. Daraufhin habe Nolde ihn durch das Sprühen von Tränengas verteidigt, und der Rest sei "ein schwarzes Loch". Sein Mitangeklagter Nolde hatte vor Gericht eine noch einfacherere Version des Streits parat: Er belastete in erster Linie Schillock - "Ich denke, daß Lutz das Stechen zu Hause geübt hat" -, und erklärte, schon während einervorangegangenen Verlobungsfeier völlig betrunken gewesen zu sein. Für diese Behauptung präsentierte Nolde dann auch gleich die gesamte Naziprominenz jenes Abends als Zeugen: Der Berliner Vorsitzende der Nationalen e.V., Frank Schwerdt, der ehemalige Kameradschaftsführer Beusselkiez und Gastgeber der Verlobungsfeier, Mike Penkert, und der Anti-Antifa-Aktivist Hans-Jörg Rückert bestätigten vor Gericht einhellig, Nolde sei schon vor der Abfahrt betrunken gewesen.

Dieser Version stehen allerdings die Aussagen mehrerer Polizeibeamter entgegen, die übereinstimmend erklärten, daß beide Angeklagte nach ihrer Festnahme klar sprechen und sicher laufen konnten. Nolde habe sogar noch versucht, in der Zelle heimlich mit seinem Handy zu telefonieren. Und Schillock habe sich für den üblen Gestank entschuldigt, den er mit seiner vollen Hose im Polizeirevier verbreitete. Die drei Wittenberger Neonazis, die den Streit im Auto überlebten, sagten darüber hinaus auch aus, daß Nolde den Bordellbesitzer Schmidke festgehalten habe, während Schillock zustach. Demgegenüber behauptet Noldes Verteidiger Eisenecker, nicht Nolde, sondern die ebenfalls im Auto anwesende Wittenbergerin Manuela Groß habe Schmidke festgehalten, während Schillock zustach.

Auch die Frage, ob die Messerstiche Folge eines Streits über das Verbotsdatum der FAP waren, konnte bisher nicht endgültig geklärt werden. Während die Zeugen aus Wittenberg angaben, Schillock habe mit seiner führenden Rolle in der FAP geprahlt, aber auf Nachfragen das Verbotsdatum nicht nennen können und sei deshalb von Schmidke und Danneil kritisiert worden, bestreiten sowohl Nolde als auch Schillock, daß der Streit darüber ausbrach.

Ein Urteil wird Anfang November erwartet.