Fritz, the Caddie

Rühe bläst zur Verteidigung der westlichen Zivilisation - im Zweifelsfall weltweit

In Vorkriegszeiten wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Kein Wunder, daß schon eine Randbemerkung von Verteidigungsminister Volker Rühe angesichts des angedrohten Militärschlags der US-Amerikaner gegen Irak den Blätterwald rauschen ließ. Als hochkarätiger Gast beim FAZ-Forum "Standort Welt - Fazit für das 21. Jahrhundert" in Berlin hatte Rühe Anfang November signalisiert, daß die Bundeswehr in einer möglichen neuen "Golfkriegssituation" durchaus einen militärischen Beitrag leisten würde. Eine derartige Situation, wiegelte er ab, sei gegenwärtig jedoch nicht zu erwarten.

Nach dem Rausschmiß der im Auftrag der UNO im Irak offiziell nach VX-Nervengas und bakteriellen Kampfstoffen suchenden US-amerikanischen Inspektoren durch Saddam Hussein und dem folgenden Rückzug aller 70 Experten der UNSCOM-Truppe nach Bahrain ist ein Krieg so undenkbar nicht mehr. Zumal Präsident Bill Clinton letzte Woche den Flugzeugträger "George Washington" mit Begleitschiffen zur Verstärkung der seit dem Golfkrieg als Wache in der Region operierenden 17 Schiffe unter Führung des Trägers "USS Nimitz" in den Golf beorderte. Auch die Briten schickten ihren Flugzeugträger "Invincible" aus der Karibik ins Mittelmeer. Daneben erklärte Regierungschef Tony Blair, daß sechs Harrier-Senkrechtstarter für Luftangriffe innerhalb von 48 Stunden bereitgestellt werden könnten. Clinton läßt die alte Golfkriegsallianz langsam antreten.

Bleibt die Frage, ob diesmal mit oder ohne Bundeswehr. Doch genau betrachtet, waren Marine und Luftwaffe schon beim Waffengang im Januar 1991 mit dabei. Erdkampfflugzeuge der Bundesluftwaffe vom Typ Alpha-Jet wurden in der Türkei stationiert, um mögliche Schläge Saddams gegen den Nato-Verbündeten abwehren zu können - so die offizielle Version. Daneben war bereits im August 1990 ein deutscher Minenabwehrverband mit sieben Schiffen und 385 Soldaten im östlichen Mittelmeer präsent. Schiffe, die nach der Operation "Desert Storm" ab März 1991 im Arabischen Golf mit insgesamt 2 700 Marinesoldaten an einer Minenräumaktion teilnahmen. Alles wohl etwas zu früh für die damalige Psyche der Bundeswehr, die in jenen Jahren noch ganz auf ihren im Eid festgeschriebenen Auftrag - Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland - fixiert war. So wurde der Einsatz selbst aus Reihen der Berufssoldaten offen kritisiert.

Die Reaktionen der Bundeswehrführung waren harsch. Der damalige Generalinspekteur Klaus Naumann betonte auf der Leipziger Kommandeurtagung im Mai 1992, kein Verständnis für derartige "Weinerlichkeit und Verzagtheit" in der Truppe zu haben. "Extremstes Beispiel dafür", so Naumann damals, "war die einzelne Stimme, die glaubte, nach dem Einsatz in der Türkei um Jahre gealtert zu sein." Peinlich für die Bundeswehr, daß ein Offizier wehrkraftzersetzend vor laufenden Kameras plauderte. Den Kommandeuren hielt Naumann vor, zugelassen zu haben, daß die "Realität eines Einsatzes einigen unserer Soldaten nicht in der Ausbildung vermittelt und beinahe aus dem Denken verdrängt wurde". Offiziere die sich künftig "drücken" würden, "wenn es schwierig wird, die können wir nicht gebrauchen", sie sollten "die Konsequenzen ziehen und gehen", forderte der Generalinspekteur. Bereits wer die Frage stellen würde, "ob ein Einsatz außerhalb Deutschlands von unserem Eid gedeckt ist", sei ein Kandidat dafür.

Der Rest ist bekannt. Über Einsätze mit immer stärkerem militärischem Charakter in Kambodscha, Somalia, Bosnien, bis hin zur Befreiungsaktion von 104 Ausländern in Albanien wurden Bundeswehr und Bevölkerung Schritt für Schritt und gezielt an Militäraktionen außerhalb Deutschlands gewöhnt. Nicht ohne Grund wurde in diesen Jahren in der Ausbildung verstärkt über Tod und Verwundung im Einsatz, Angstbewältigung sowie Verhalten bei Geiselnahme und Kriegsgefangenschaft gesprochen. Erfahrungen vermittelten dabei nicht selten betroffene Soldaten verbündeter Nato-Armeen.

Nach einer Abstimmung im Parlament wäre die Bundeswehr 1997 durchaus in der Lage, mit Kampfeinheiten am Golf zu agieren. Die Krisenreaktions-Kontingente von Luftwaffe und Marine stehen. Bei den Bodentruppen des Heeres sollen Ende des Jahres die ersten 12 000 Mann verfügbar sein. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß Bundeswehreinheiten keinerlei Erfahrungen im Wüstenkrieg haben - sieht man vom Brunnenbau in Somalia einmal ab. Nötige Vorbereitungen, wie in Hammelburg für den Bosnieneinsatz, würden sich wohl über Monate ziehen. Der von Rühe angedeutete militärische Beitrag, der eine Anforderung der UNO voraussetzen würde, dürfte somit über das militärische Engagement von 1991 mit Kräften der Marine und Luftwaffe nicht wesentlich hinausgehen. Entziehen würde sich Rühe einer derartigen Strafaktion allerdings nicht. Schließlich betonte er auch auf dem Forum der FAZ, daß der Mittelmeerraum zunehmend ins Zentrum des strategischen Interesses der Hardthöhe rückt. Heute würde die Truppe also marschieren - ohne zu murren.