Saalfeld und die Folgen

Ein Beitrag zur Debatte über die Bewertung der Verbote von Antifa-Demos

Saalfeld, Freiberg, München - bereits einen Monat nach dem an den Haaren herbeigezogenen Verbot einer Bündnisdemonstration in der thüringischen Kreisstadt Saalfeld scheint sich zu bestätigen, was verschiedentlich befürchtet worden war: Staat und Justiz holen zum öffentlichkeitswirksamen Schlag gegen die Antifa aus, das Saalfeld-Verbot hatte Signal-Funktion.

Betrachtet man die drei Verbote etwas differenzierter, ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Diente dem Landratsamt Saalfeld noch die Anmeldung einer Gegenveranstaltung von Neonazis zur Panikmache gegen die Antifa-Demo, versuchten die Stadtväter in Freiberg die Demo in ihrem Städtchen mit einer Kopie der Saalfelder Verbots-Begründung zu verbieten, ohne auf konkret zu erwartende Auseinandersetzungen verweisen zu können. Während die thüringischen Gerichte das Demonstrationsverbot bestätigten, hoben die Gerichte das Demonstrationsverbot für das sächsische Freiberg wieder auf. In München wiederum war die Antifa-Demo eine Gegenaktion zu einem geplanten Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten am 8. November. Ganz in bayrischer Tradition wurden hier beide Veranstaltungen verboten.

Doch was wäre gewesen, hätte sich eine dieser drei Situationen in Kiel, Bonn, Frankfurt/Main oder Stuttgart ergeben? In Hamburg war für den 13. September sowohl eine NPD-Kundgebung als auch eine Antifa-Demo gegen den rechten Spuk und den Law-and-order-Wahlkampf in der Hansestadt angekündigt. Während die NPD ihre Aktion kurzfristig absagte, konnten 4000 AntifaschistInnen, von Polizei und Gerichten ungehindert, demonstrieren. Das Beispiel zeigt, daß die bislang geltende bundesrepublikanische Linie nach wie vor aktuell ist: Naziaufmärsche werden weitgehend unterbunden und das Verbot von antifaschistischen Aktionen bleibt eine Ausnahme, auch dann wenn sich Nazis angekündigt haben. Daß ostdeutsche Kleinstädte wie Saalfeld und Freiberg mitunter einen anderen Umgang mit ihren rechten Jugendlichen und Kadern pflegen als andernorts üblich, ist nichts Neues. Meister auf diesem Gebiet der Verharmlosung rechter Strukturen waren bereits Schwedt und Wurzen. Abgelegene Kleinstädte, die Angst um ihren Ruf haben, nicht als rechte Hochburg gelten wollen und die eine rechte Hegemonie unter den Jugendlichen für normal halten. Ebensowenig neu ist, daß in München, wo CSUler an den Verbotshebeln sitzen, etwas härter mit linken Veranstaltungen umgegangen wird und die Totalitarismusthese ihre praktische Umsetzung findet.

Das Bild einer bundesweiten, staatlichen Kampagne gegen den Antifaschismus relativiert sich vor diesem Hintergrund erheblich. Die Gefahr der gegenwärtigen Entwicklung liegt vielmehr darin, daß sich das staatliche Vorgehen und der Umgang der Gerichte mit den alles andere als wasserdichten Verbotsbegründungen als bundesweiter Trend durchsetzt und etabliert. Die Voraussetzungen für diese in der Tat fatale Revidierung der bisherigen staatlichen Linie stehen nicht schlecht: Rechter Terror und rechte Organisierung gehören mittlerweile zum deutschen Alltag, der Staat will sich selbst als antifaschistischen Kämpfer darstellen, unabhängiger Antifaschismus wird vor dem Hintergrund angeblich erfolgreichen staatlichen Handelns für nicht notwendig erklärt.

Daß es zu verhindern gilt, daß sich der Verbotstrend als eine weitere Folge des Rechtsrucks der vergangenen Jahre durchsetzt, liegt auf der Hand. Wie dies geschehen soll, darüber scheiden sich die Geister bereits wieder. Zwar wird die vereinzelt geäußerte Einschätzung, nach der die Verbote auf die Bedeutung der Antifa zurückzuführen sind - nach dem Motto "Die haben soviel Angst vor uns" -, von weiten Kreisen als Wunschdenken betrachtet. Positionen aber, die für eine "gepfefferte Demo" gegen das Saalfeld-Verbot ohne große Rücksicht auf ein Bündnis plädieren, können sich immerhin größerer Beliebtheit erfreuen.

Daß es der Antifa und auch der gesamten Linken angesichts ihrer Schwäche momentan nicht alleine gelingen wird, eine Trendwende im staatlichen und justiziellen Umgang mit antifaschistischen Demos zu verhindern, negieren die Verfechter dieser Position entweder oder sie lehnen es aus politischen Erwägungen ab, mit bürgerlichen antifaschistischen Kräften zusammenzuarbeiten.

Die unabhängige Antifa ist derzeit nicht in der Lage, den Verbotstrend zu stoppen und ihre Demos durchzusetzen. Das haben die vereinzelten Kundgebungen gegen das Saalfeld-Verbot und die Massenfestnahmen gezeigt: Die jeweils knapp hundert Teilnehmer waren fast ausschließlich persönlich Betroffene, ihre Forderung nach dem Rücktritt des thüringischen Innenministers Richard Dewes (SPD) wirkte angesichts der praktisch nicht vorhandenen politischen Wirkungskraft der Kundgebungen eher lächerlich. Gerade in Zeiten, wo man aus einer Position der Schwäche heraus agieren muß und einer scheinbar übermächtigen Koalition von extremer Rechter, rassistischer Politik und Alltagsrassisten gegenüber steht, gilt es aber, sich nicht in seine Nische und auf die Richtigkeit der eigenen Position zurückzuziehen. Gefragt sind vielmehr gerade jetzt Bündnisse, die die nötige politische Kraft und darüber eine gesellschaftliche Polarisierung erreichen können, welche wiederum eine liberale Öffentlichkeit dazu bringt, sich mit den skandalösen Verboten zu beschäftigen und Stellung zu beziehen. Initiativen gegen die Verbote, die weiter darauf hinauslaufen, im eigenen Saft zu schmoren und sich gegenseitig zu bestätigen, sind zum Scheitern verurteilt.