»Steige hoch, du brauner Adler«

Alter Wein in neuen Schläuchen: Die JN in Brandenburg

Rassistische Angriffe in Frankfurt an der Oder machen längst keine Schlagzeilen mehr. Fast wöchentlich werden in der polnischen Grenzstadt polnische StudentInnen, TouristInnen oder AsylbewerberInnen Opfer neofaschistischer und rassistischer Gewalt. Ende Oktober verletzten Naziskins zwei polnische Studenten der Europa-Universität Viadrina im Innenstadtbereich so schwer, daß sie im Krankenhaus behandelt werden mußten; am letzten Mittwoch hetzten Naziskins ihre Kampfhunde auf zwei russische ImmigrantInnen, die schwere Bißverletzungen am ganzen Körper davontrugen.

Während sich auf den Straßen der Grenzstadt und am Einkaufszentrum Oderturm Naziskingruppen fast ungestört austoben können, versucht hinter den Kulissen die mittlerweile zum Sammelbecken für militante Neonazis gewordene Jugendorganisation der NPD, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN), die Schlägerszene zu organisieren. Angeführt wird der JN-Stützpunkt in Frankfurt/O. von Naziliedermacher Jörg Hähnel, der auch bundesweit innerhalb kurzer Zeit in die Führungsebene der JN aufgestiegen ist. Hähnels Nazikarriere begann im Ordnerdienst der JN. 1996 wurde er dann zum Vorsitzenden des JN-Landesverbandes Berlin-Brandenburg sowie in den JN-Bundesvorstand gewählt. Mittlerweile steht er auf Platz 1 der brandenburgischen NPD-Landesliste für die Bundestagswahlen im Oktober 1998. Bei bundesweiten Aufmärschen der Naziszene fungiert Hähnel als Kontaktmann für Frankfurt/O. und Umgebung.

So reiste beispielsweise am 1. März dieses Jahres eine größere Gruppe von Neonazis aus Frankfurt/ O. zum JN/NPD-Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung in München. Ende März meldete Hähnel unter dem Motto "Gegen Arbeitslosigkeit und linken Terror" einen Aufmarsch der JN in Frankfurt/O. an, der allerdings von der Polizei verboten wurde. Bei einer Veranstaltung des Bundes der Antifaschisten (BdA) in Frankfurt/O. Ende Oktober war Hähnel der Wortführer einer Gruppe von 20 neonazistischen Störern. Neben seinen Funktionen als führender Kader der JN versucht sich Hähnel auch als Imitator des "Wiking-Jugend"-Barden Frank Rennicke. Seine 1997 beim "Deutsche Stimme Versand" veröffentlichte CD "Da heißt es stehn ganz unverzagt. Lieder in klangloser Zeit" ist mit dem bezeichnenden Werbetext versehen: "Für Jörg Hähnel stellt das Bekenntnis zu Volk und Nation nicht nur ein Lippenbekenntnis dar. Sowohl als politischer Aktivist wie auch als Künstler kämpft er für die Freiheit und Unabhängigkeit des gesamten deutschenVolkes."

Allerdings sind Hähnels musikalische Aktivitäten nicht immer von Erfolg gekrönt. Sein Versuch, am 15. November in Berlin-Wartenberg bei einer JN-Veranstaltung aufzutreten, scheiterte. Eine Gruppe von AntifaschistInnen hatte den Schleusungspunkt der JN angegriffen; der Nachmittag endete für den führenden Berliner JN-Kader Andreas Storr sowie zwei seiner Begleiter im Krankenhaus. Nach der Aktion nahmen Polizeibeamte in Zivil in der Umgebung willkürlich Menschen mit linkem Outfit fest; drei von ihnen sitzen seitdem mit den Vorwürfen des "schweren Landfriedensbruchs" und der "gefährlichen Körperverletzung" in Untersuchungshaft. Der Angriff verunsicherte die JN in Berlin und Brandenburg allerdings soweit, daß eine für das kommende Wochenende geplante Landeskonferenz erst einmal abgesagt wurde.

Die kurzfristige Verunsicherung der JN darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, daß die Kaderschmiede der militanten Neonaziszene auch in Berlin und Brandenburg - wie im gesamten Bundesgebiet - zum Auffangbecken für die gesamte Szene geworden ist. Nachdem die im Osten führende Sammlungsorganisation Die Nationalen e.V. Mitte November durch ihren Berliner Vorsitzenden Frank Schwerdt per Fax und Internet ihre Auflösung ankündigten und erklärten, "man habe erreicht, was zu erreichen war" - und so einem staatlichen Verbot zuvorkamen -, kündigte Schwerdt auch gleich die Fortsetzung "der Arbeit in unabhängigen Kameradschaften, Parteien und Gruppierungen" an. Keinesfalls zufällig verfügt der zeitgleich neugegründete NPD-Bezirksverband Brandenburg ausgerechnet dort über Kreisverbände - wie in der Spreewaldregion - , wo bisher die Nationalen aktiv waren. Auch die angekündigten Kreisverbandsgründungen der NPD in Eisenhüttenstadt und im Landkreis Oberhavel können nur mühsam kaschieren, daß es sich hierbei offensichtlich um die Fortführung der örtlichen Kameradschaften der Nationalen im sicheren Hort der verbotsresistenten NPD/JN handelt. In der Führungsriege der Brandenburger NPD/JN tummeln sich neben Jörg Hähnel alte Bekannte aus dem militanten Neonazilager, wie beispielsweise der ehemalige Republikaner und HNG-Beauftragte für Mitteldeutschland, Maik Hampel aus Oranienburg.

Um zumindest in Frankfurt/O. der wachsenden Neonaziorganisierung entgegenzutreten, organisieren unabhängige Antifagruppen aus der Stadt und dem Land Brandenburg für den 6. Dezember unter dem Motto "Naziterror stoppen, Junge Nationaldemokraten angreifen" eine Demonstration gegen Jörg Hähnel.

Antifa-Demo in Frankfurt/Oder.: Samstag, 6. Dezember, Auftaktkundgebung 14 Uhr am Bahnhof