Zum Tod Werner Höfers

Dank Höfer

Journalisten stürben früh, schrieb Oliver Gehrs neulich in der Berliner Zeitung, und man ahnt nicht, ob dieser Gedanke ihn selbst und die Kollegen trösten sollte oder doch eher die Leserschaft. Einer, der spät genug starb, um von seiner Vergangenheit, als sie längst vergessen schien, doch noch eingeholt zu werden, war Werner Höfer.

Er sei 1933 "gegen meinen Wunsch und Willen, ganz gewiß nicht auf meine Veranlassung hin, in die NSDAP eingetreten worden", erklärte Höfer 1977. Er habe seine journalistische Tätigkeit im Dritten Reich nie verleugnet, sei aber ohnehin nur ein "unpolitischer Intellektueller" gewesen. In keinem seiner Artikel habe er die Wörter "Führer" oder "Jude" verwendet, und die fatalen Sätze hätten Vorgesetzte ohne sein Wissen hineinredigiert. Als Albert Norden, im ZK der SED zuständig für Agitation, 1962 massive Vorwürfe gegen Höfer erhob, war alles gelogen. Als der Spiegel 1987 dieselben Vorwürfe wiederholte, war alles längst bekannt.

Höfer hatte in mehreren "Führer-Blättern", darunter auch der Völkische Beobachter, den Atlantikwall und die V 1 gepriesen - mitunter in einer Sprache, die selbst dem Rüstungsminister Speer zu pathetisch klang. Er hatte den Durchhaltewillen der Volksgenossen gestärkt und schließlich das Todesurteil gegen Defätisten gerechtfertigt. 1943 war der Musiker Karlrobert Kreiten wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet worden, und Höfer hatte im 12 Uhr Blatt kommentiert: "Es dürfte heute niemand Verständnis dafür haben, wenn einem Künstler, der fehlte, eher verziehen würde als dem letzten gestrauchelten Volksgenossen. Das Volk fordert vielmehr, daß gerade der Künstler mit seiner verfeinerten Sensibilität und seiner weithin wirkenden Autorität so ehrlich und tapfer seine Pflicht tut wie jeder seiner unbekannten Kameraden aus anderen Gebieten der Arbeit."

Warum eigentlich der Spiegel Höfer für diese Verfehlung 1987 abschoß, fragten sich sämtliche Nachrufer. Und in der Tat: Der FAZ-Herausgeber Schirrmacher beispielsweise ist heute noch stolz auf die intellektuellen Gefechte, die der Leiter der Frankfurter Literaturredaktion, Friedrich Sieburg, ein ehemals bekennender Nazi, sich in den fünfziger Jahren mit dem ehemaligen Kommunisten Alfred Andersch lieferte.

Nun, vermutlich hielt Rudolf Augstein die Gerüchte, in den meisten bundesdeutschen Zeitungsredaktionen säßen ehemalige Nazis und Kriegspropagandisten, jahrzehntelang für eine gezielte Desinformation aus trüben Pankower Quellen. Daß in seinem eigenen Haus ein ehemaliger SS-Offizier und ein SD-Mann arbeiten, hat er zunächst nicht gewußt; und später, als Otto Köhler diese Peinlichkeit enthüllte, da war sie "längst bekannt". 1987 aber, nach vierzig Jahren, hatten sich die Gerüchte dermaßen verdichtet und erhärtet, daß Augstein den Skandal nicht länger übersehen konnte.

Leider waren alle Betroffenen inzwischen glücklich verstorben oder pensioniert. Nur in Köln, in einem Studio des WDR, moderierte der 74jährige Werner Höfer noch immer seinen "Frühschoppen". Werner Höfer hat viel für die deutsche Publizistik getan. Denn dank seiner kann man heute sagen: Alle Journalisten, die sich an der Nazi-Propaganda beteiligt hatten, wurden, sobald es herauskam, umgehendst entlassen.