Der Kolporteur

Als ich vor vier Wochen die Pressekonferenz in Dussmanns neuem KulturKaufhaus besuchte, als ich danach durch jenen Glasstahlbetonkasten in der Friedrichstraße zog, und als ich schließlich den Text zum Thema verfaßte, hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß ich danach mit dem Laden noch einmal etwas zu tun haben würde. Als karrieregeiler Journalist (schöner Pleonasmus) sollte man nicht zu voreilig sein.

Genug der Vorgeschichte.

Sinn und Zweck jener Aktion, von der ich nun erzählen werde, vermag ich nicht so genau zu erklären, jedenfalls hocke ich letzte Woche in der Aufnahmeprüfung der Berliner Journalistenschule. Es gibt den üblichen Wissens- und Bildertest, dann lautet die Aufgabe: "Schreiben Sie eine Reportage über das neue Kultur ..!" Nochmals eine Geschichte über die Kulturvernichtungsstation, nein, das ging nun wirklich nicht, also habe ich einfach das gemacht, was ich immer mache, wenn ich nicht weiter weiß, ich habe über die Situation selbst geschrieben. Und das liest sich ungefähr so:

Am Eingang steht eine Fahne mit der Aufschrift "Ehrenbanner der SED". "Det is ja een Ding", murmelt Serena K. Langsam geht sie in den Ostalgieshop des Berliner KulturKaufhauses. In der Zonenecke des von dem Dienstleistungsdämlak Dussmann in die Welt gesetzten Megastores werden rote Fäuste, eine Marx-Engels-Gesamtausgabe, Leninbüsten und DDR-Orden angeboten. "Ick gloob nich, daß die Ossis des koofen", sagt Serena K., "wer will mit dem Schmus denn noch etwas anfangen". Sie muß es wissen, Serena ist im Osten der deutschen Hauptstadt aufgewachsen. Jetzt will sie Journalistin werden.

Manfred Volkmar, Leiter der Journalistenschule, hat für den Reportagetest sogar eine Pressekonferenz organisiert. Es soll eben zugehen wie im richtigen Berufsleben. Anwesend sind Hartwig Schulte-Loh, Geschäftsführer des KulturKaufhauses, und Thomas Greiner, Pressesprecher der Dussmann-Gruppe. Greiner eröffnet das Gespräch und bombardiert die Journalistenjugend mit Zahlen, Zahlen und nochmals Zahlen.

Man ist beeindruckt. Es werden mehr Fragen als auf der offiziellen Pressekonferenz gestellt. Die beiden Dussmänner wissen immer ein Antwort.

Schulte-Loh ist gemäß der eigenen Firmenlosung betont freundlich, Greiner spielt dagegen den schnippischen Wahlberliner. "Wie alt sind Sie?" wird er gefragt. "42!" antwortet der Manager. "Und ihr Kollege? hallt es aus der fünften Reihe. "82", höhnt Greiner und grient. Ein tolles Duo. Wo haben die beiden nur ihre Masche gelernt? In einer Journalistenschule?

Nach dem Frage- und Antwortspiel ziehen 49 Reporter durch das Haus. Mit Stift und Block in der Hand interviewen sie Käufer und Verkäufer. Ein guter Publicity-Gag. So ein Presseaufgebot hat es im KulturKaufhaus noch nicht gegeben. Doch nicht alle sind glücklich über das Ereignis. "Schon wieder jemand, der mich nach meiner Meinung über diesen Dussmann ausquetscht", motzt eine ältere Dame aus Zehlendorf: "Gehört das auch zum Service?" "Nein, nein, natürlich nicht", stottern die nervösen Frager, "wir legen gerade die Aufnahmeprüfung der Berliner Journalistenschule ab."

Die Zehlendorferin schaut ein wenig skeptisch, wünscht viel Erfolg und verläßt das KulturKaufhaus.