Seliger Wittgenstein

Die Erkenntnis, daß Philosophie im wesentlichen Theologie ist, verdanken wir dem unglücklichen Ludwig Wittgenstein. Genau achtzig Jahre, nachdem er mit dem scharfen Rasiermesser seines "Tractatus" untheologische Sätze von theologischen abtrennte, wurde der Vatikan auf ihn aufmerksam. Gerade erklärte der durch seinen Osservatore Romano, Wittgenstein könne doch vielleicht bei der "Klärung und Reinigung traditioneller religiöser Thesen" nütze sein. Das ist - wenn man unter Reinigung nicht Abschaffung versteht, die ja gelegentlich reinigend wirkt - schwer vorstellbar. Nicht ganz falsch liegt die Zeitung immerhin mit ihrer Einschätzung, der Sprachphilosoph habe nichts gegen Religion einzuwenden gehabt, solange man sie nicht mit Wissenschaft verwechselt. Seinen Geist soweit zu drosseln, bis er endlich Gott sieht, gelang dem Melancholiker allerdings bis zu seinem Tode im Jahr 1951 nicht. Ob das zur Seligsprechung reicht?