Hermann L. Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift konkret

»Verstehen die Grünen Spaß, Herr Gremliza?«

Die Grünen, konnte man im Spiegel lesen, haben sich zur Diskussion ihres Wahlprogramms "den Beistand des hartleibigen Links-Verlegers" Gremliza besorgt. Wie haben die denn das gemacht?

Einer der beiden Parteisprecher, der konkret-Leser Jürgen Trittin, hatte bei mir einen Gefallen gut. Und als er mich bat, die Präambel des grünen Wahlprogramms kritisch zu kommentieren, habe ich geantwortet, daß ich soviel Spaß schon verstehe.

Sie sind also nach Bonn gefahren, aber da hatte, wie die taz berichtete, kaum ein Mitglied der Parteiführung Lust, Sie anzuhören.

Ja, das war bitter, sozusagen: alles für die taz. Denn außer den beiden Sprechern der Partei, Herrn Trittin und Frau Röstel, der Fraktionssprecherin Müller, den beiden Bundesgeschäftsführern, dem Fraktionsgeschäftsführer, einigen Abgeordneten und einem halben Dutzend Leuten vom Parteivorstand war so gut wie niemand da.

Was haben Sie denen denn erzählt?

Ich habe ein bißchen Sprachkritik an der Präambel ihres Wahlprogramms vorgetragen.

Beispielsweise?

Beispielsweise habe ich ihnen erzählt, wie der Präambel-Satz "Wer nicht unmittelbar zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt, ist - vom neoliberalen Standpunkt aus gesehen - uninteressant" hieß, als er noch ein Gedanke war und kein Geschwafel.

Wie hieß er da?

Er lautete: "In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d. h. das Kapital entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur so lange leben, als sie Arbeit finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt." Das ist halt so, nicht nur "vom neoliberalen Standpunkt aus gesehen". Ihre Fassung des Marxschen Gedankens stamme, habe ich den Grünen gesagt, aus der Ausgabe des Kommunistischen Manifests ad usum Delphini, der gereinigten Fassung fürs alternative Milieu. Das nur als kleines Beispiel. Der vollständige Vortrag wird in konkret erscheinen.

Haben die Zuhörer Wirkung gezeigt?

Einige haben ein bißchen gelacht und Frau Röstel hat den "Unterhaltungswert" meines Vortrags gelobt. Aber natürlich bewirkt Sprachkritik in diesem von den Medien und den neuen sozialen Bewegungen an-alphabetisierten Land gar nichts.

Die Präambel bleibt also, wie sie war?

Nein, aber nicht meinetwegen. Dreieinhalb der vier anderen Gäste dieser Sitzung meinten, daß die Präambel den Charakter der Partei nicht schön genug zum Ausdruck bringe. Deshalb soll eine neue Präambel verfaßt werden. Ich habe davon abgeraten.

Warum?

Weil die Präambel genau die kunstgewerbliche Verzierung biete, die zur Politik dieser Partei paßt, und nicht einen Gedanken enthalte, der einen grünen Minister einmal bei der Ausübung seiner Amtsgeschäfte stören könnte. In dem Ruf "Ja zur öffentlichen Sicherheit, entschiedenes Nein zu rechten Parolen!" zum Beispiel, ist alles drin, was ein grüner Innenminister einmal brauchen wird.