Der Kolporteur

Die Berliner Kriminalhauptkommissarin Bianca Müller ist traurig. Das wäre ich an ihrer Stelle auch. Wachtmeisterin Müller sitzt mit mir im Café Hegel am Savignyplatz, sie schlabbert ein Mineralwasser, ich betrinke mich mit einem Glas Milch, das Band läuft, die Polizistin redet und redet. Gegen die Bullerei habe sie grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn die Kollegen ihr ziemlich übel mitgespielt hätten.

Frau Müller sagt, sie sei ein Mobbing-Opfer. Das glaubt man sofort, die größten Verbrecher waren schon immer bei der Polente. Als ich ihr meine Meinung über UniformträgerInnen jeder Couleur mitteile, bestellt Frau Müller, die zum Interview in ziviler Kluft gekommen ist, ein Bier. Polypin Müller hat den Fehler begangen, sich über das Verhalten ihrer Arbeitskameraden in der Öffentlichkeit zu beschweren. Das ist vor allem deshalb so dämlich, weil die schöne Schutzfrau zu allem Übel auch noch Sprecherin des 500 Mitglieder starken Berliner CDU-Polizei-Arbeitskreises ist. Wer schon eine Gendarmengemeinschaft führen will, kann nicht gleichzeitig ihr Funktionsprinzip angreifen. Denn das lautet: Den Feind fertigmachen. Frauen sind die natürlichen Feinde der Ballermänner.

Im vergangenen Sommer zum Beispiel trieben Berliner Bullen die schüchterne Schupo-Stefanie in den Selbstmord. Damals hat selbst die Bild-Zeitung einen ordentlichen Bericht geliefert mit der Folge, daß manch ein gutmütiger Gesetzeshüter auspackte. Nach dem Ableben der 24jährigen Nachwuchskraft meldeten sich zahlreiche PolizistInnen bei Presse und Polizeigewerkschaft und gaben an, von anderen PolizistInnen bemoppt worden zu sein. Der Polizeipräsident Hagen Saberschinsky erklärte damals in der für ihn typischen Wirrnis, mit der er sich zumeist selbst verrät: "Mobbing ist kein spezifisches Polizeiproblem und kommt nur in Einzelfällen vor."

Befehl von oben, die Meckerer mußten ab sofort wieder die Klappe halten. Was aber geschah mit der Oberquerulantin? Die Christdemokraten-Polizei-Arbeitskreisler haben Frau Müller abgewählt, und Meister Hagen hat die ehemalige Schichtleiterin dazu verdonnert, Autodiebstähle zu bearbeiten. Anstatt endlich den Dienst zu quittieren, klagt die "Polizistin mit Herz" (B. M. über B. M.) nun gegen das Land Berlin, um einmal wieder an den alten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Über solchen Sportsgeist freut sich auch Wolfgang Wieland, Innenpolitischer Sprecher der Grünen. "Eine schäbige Retourkutsche der CDU", nennt der Polizeipolitiker das polizistische Ausschlußverfahren. Frau Müller will, nachdem ihre Rede beendet und meine Milch ausgetrunken ist, unbedingt wissen, was ich von dem Fall halte. Scheiße, denke ich, die Dame ist von allen verarscht worden, will trotzdem weitermachen. Weil ich ihr kein Referat über Risiken und Nebenwirkungen des Waffenträgerjobs halten will, rate ich ihr, einen guten Anwalt zu nehmen, und bestelle mir ebenfalls ein Bier. Sie nickt, Hans-Christian Ströbele arbeite für sie. Dann gibt Frau Müller mir noch ein "Verkehrsmalheft für Kinder". Für einsfünfzig ist das Blättchen, das die "Gewerkschaft der Polizei" herausgegeben hat, derzeit an den Kiosken der Hauptstadt zu erstehen. Die Kids erfahren im Heft, daß ein drolliger Wachtmeister Petras und Svens Kater Felix von einem Baum herunterholt. "Ich frage den Schutzmann, der hilft", lautet die Bildunterzeile. Schlaue Kinder wissen, daß Katzen die Hilfe der Polizei nicht benötigen und daß Polizisten niemals auf Bäume klettern.