Der Rektor bleibt draußen

"Die Zone ist auch nicht ohne", erklärten die Studis der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und traten in den Streik. Nachdem es lange so ausgesehen hatte, als würden sich die Studis in der ehemaligen DDR nicht für die Streiks ihrer KommilitonInnen im Westen interessieren, schlossen sich Anfang Dezember die Hochschulen in Potsdam, Weimar, Ilmenau, Leipzig, Halle, Jena und anderen Städten der bundesweiten Protestbewegung an - wenn auch meist nur mit befristeten Warnstreiks.

Die ostdeutschen Hochschulen waren nach 1989 gründlich umgekrempelt worden. Institute wurden abgewickelt, DDR-ProfessorInnen in den Vorruhestand ver- oder gleich auf die Straße gesetzt. Insbesondere in den Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften kam es zu Massenentlassungen. "Wir haben hier im Durchschnitt 90 Prozent Westprofessoren", erklärt Thomas Reif, StuRa-Sprecher der Uni Leipzig. Ein einziger Ossi, kein Professor, lehre noch Politikwissenschaften in Leipzig, "alle Fakultäten sind westgeleitet und weststrukturiert".

Gleichzeitig wurde modernisiert. Die Bibliotheken erhielten neue Lehrbücher, Mensen und Cafeterias wurden renoviert, einige Hörsäle und Fassaden neu gestrichen, Computer, Kopierer und Büromöbel angeschafft.

Danach kehrte zwar auch in den Ost-Unis der Sparzwang ein, aber überfüllte Veranstaltungen, Auslöser für den Studistreik, sind dort bisher kaum ein Problem. "Bei uns platzen die Hörsäle nicht, sie bröseln!" schreibt der AStA Greifswald und fordert die schnelle Renovierung der Gebäude. Auch an der Universität Potsdam sind die Seminare noch nicht überfüllt.

Aus dieser Situation zog der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen einfachen Schluß: Die Studierenden sollten doch zur Entlastung der westdeutschen Unis die freien Studienpätze im Osten belegen. Auch das Rektoratskollegium der Technischen Universität Chemnitz pries den Osten: Hier gebe es "ausreichend Platz, beste Betreuung und hervorragende Ausstattung". Doch bei den Studierenden scheint sich mittlerweile die Wahrnehmung verändert zu haben. "In ein paar Jahren sieht's bei uns genauso aus wie in Hessen", da ist sich der StuRa Leipzig sicher. Und selbst diejenigen, die im Sommer noch in Fernsehinterviews verkündet hatten: "Protest hier? Nö, wozu denn?", hat jetzt das Streikfieber gepackt.

"Wir fanden es gut und mächtig beeindruckend, wie schnell sich die Streiks ausgebreitet haben. Wir waren mit vier Bussen die stärkste Vertretung aus dem Osten auf der bundesweiten Demo in Bonn - die Demo war der Zünder", erklärt Thomas Reif. Er habe nicht damit gerechnet, daß so viele zur Vollversammlung (VV) am 3. Dezember kommen würden. Beschlossen wurde dann aber nur ein dreitägiger Warnstreik. Dieser sei allerdings "sehr effektiv" gewesen, "effektiver als geplant", berichtet Reif, einige Gebäude seien "völlig unzugänglich" gewesen. Auch in Halle war die VV "wahnsinnig gut besucht", heraus kam ein zweitägiger Warnstreik.

Seine bisher größte studentische Demonstration mit 5 000 TeilnehmerInnen erlebte letzte Woche Postdam, an der dortigen Uni wurde der Warnstreik ausgeweitet. Seit dem Wochenende besetzen die Potsdamer StudentInnen auch das Direktoratsgebäude - allerdings mit Ausnahmen: Einen Notdienst von 20 MitarbeiterInnen lasse man für zwei Stunden täglich ins Haus, erklärt ein Streikposten. Nur der Rektor müsse ganz draußen bleiben.