Mieser Sound, knorke Gimmicks

James Bond jagt einen Medienmogul, der ganz anders ist als Leo Kirch

Daß die Medien lügen, manipulieren, erfinden, ihre Geschichten selbst inszenieren und dit und dat - nun ja, ein besonders neuer Hut ist das nicht mehr. Sogar im "Tatort" war vor ein paar Monaten eine Art schmieriger Michael Born für Arme zu sehen, der einen scheinbar leicht jemand anderem unterzujubelnden Mord begeht, damit seine TV-Produktionsklitsche endlich auf Erfolgskurs kommt. "Denen kann man doch nichts mehr glauben!" - das ist inzwischen ein folgenloser Reflex geworden, ungefähr so inhaltsschwer wie "In der Branche saufense doch alle!"

Wie "Der 'Morgen' stirbt nie" zeigt, ist das vermeintliche Wissen um die Mechanismen der Informationsindustrie so weit verbreitet, daß in der Welt um James Bond ein omnipotenter Medienkonzern die vakante Reich-des-Bösen-Rolle einnehmen kann. Dieses Reich personifiziert Elliot Carver, gespielt von Jonathan Pryce, der zuletzt an der Seite Madonnas zu sehen war (als Juan Per-n in "Evita").

Der Herausgeber des Morgen, einer in Hamburg produzierten und weltweit erscheinenden Tageszeitung, ist ein weltkriegslüsterner und sektenführermäßiger Psychopath, und natürlich erinnert er nur an die selbsternannten Genies, gegen die Bond bisher anzutreten hatte, aber so gut wie gar nicht an Leo Kirch oder so. Das ist verständlich, denn wenn man einen Bösewicht aufgeboten hätte, der viel mit Kirch gemeinsam hat, würde man die 110 Millionen Dollar Produktionskosten - übrigens der teuerste Bond aller Zeiten - nicht einmal annähernd einspielen. Ihren Ursprung hat die von Bruce Feinstein (Drehbuch) und Roger Spottiswoode (Regie) geschaffene, gnadenlos überzeichnete Tycoon-Figur aber sehr wohl in der Wirklichkeit, und insofern ist Carver der realste Schurke der Bond-Geschichte.

Das Beste an "Der 'Morgen' stirbt nie" ist die Figur Stamper (Götz Otto). Er ist unter all den deutschen Bösewichten und/oder Darstellern in der Geschichte von 007 der fieseste und häßlichste, ein mehr als würdiger Nachfolger von Curd Jürgens und Gert Fröbe also. Otto, der Carvers Mann fürs Gröbste spielt, wirkt hier wie eine Kreuzung aus einem KZ-Schergen und einem geklonten Kirmes-Techno-Videodarsteller.

Unter politischen Aspekten interessant ist auch, daß Bond in diesem Film gemeinsam mit einer chinesischen Agentin gegen Carver und sein Imperium kämpft. Stehen die Chinesen hier auf der Seite der Guten, weil Hollywood ihren Markt erobern will, wie der Spiegel glaubt? Oder wird vielmehr mal wieder die Legende vom Ende der Ideologien aufgewärmt?

Wer nicht wegen der Handlung in einem 007-Film geht - fast alle, vermute ich -, wird dagegen vielleicht wissen wollen, ob Pierce Brosnan nun wirklich der beste Bond seit Sean Connery ist? Mädchen unter 18 und Frauen über 40 scheinen das so zu sehen, ich indes kann einen Schauspieler, der im wirklichen Leben ähnlich größenwahnsinnig zu sein scheint wie seine Gegner im Film, nicht für voll nehmen. Oder was soll man sonst davon halten, wenn jemand seinem Sohn den Vornamen Dylan Thomas verpaßt? Die Verfolgungsjagden sind übrigens knorke, Qs Gimmicks sowieso.

Ärgern muß man sich, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit über den Soundtrack, diesmal von David Arnold ("Independence Day") komponiert. Die dröge Sheryl "All I Wanna Do Is Have Some Fun" Crow, die das Titelstück singt, ist nicht 007-kompatibel, ebensowenig wie Tina Turner ("Goldeneye") und a-ha ("Der Hauch des Todes"). Wie man's besser macht, zeigt Arnold selbst auf der CD "Shaken And Stirred". Hier interpretiert er gemeinsam mit Pulp, Iggy Pop und anderen die klassischen Bond-Titelthemen neu. Und wer meint, daß Shirley Bassey, die für "Goldfinger", "Diamantenfieber" und "Moonraker" sang, die einzig wahre Diva sei, findet dieser Tage ebenfalls Trost. Sie ist zusammen mit dem Big Beat-Duo Propellerheads auf der Single "History Repeating" zu hören.

"Der 'Morgen' stirbt nie". GB/USA 1997, R: Roger Spottiswood. Start: 18. Dezember