Nebenwiderspruch Hauptmann

Im Zuge der Feierlichkeiten anläßlich des bevorstehenden Brecht-100-Jahres lebt die von John Fuegi ausgelöste Diskussion um den Plagiator Brecht wieder auf. Timing-bewußt ziehen jetzt die Elisabeth-Hauptmann-Erben die juristischen Konsequenzen aus der Fuegi-Darstellung, wonach der Autor mit seinen Mitarbeiterinnen nach der Devise "Sex for Text" verfahren sei. Die Erbengemeinschaft beauftragte den Hamburger Rechtsanwalt Tim Burkert damit, einen spektakulären Urheberrechtsstreit zu führen. Bis zum Jahresende - dann läuft auch das kaum bemerkte Elisabeth Hauptmann-Jahr ab, die Ko-Autorin wäre am 20. Juni 1997 100 Jahre alt geworden - sollen der Suhrkamp-Verlag und das Berliner Ensemble ihre Tantiemenkonten offenlegen.

Fuegi hat sein 1994 in den USA veröffentlichtes, 1995 in deutscher Übersetzung erschienenes Buch überarbeitet und weiteres Material zur Stützung seiner für die Literaturwissenschaft nicht eben überraschenden These gesammelt, Elisabeth Hauptmanns Anteil an Werken wie der "Dreigroschenoper" rechtfertige es, sie als Hauptautorin zu nennen. Über die Fachkreise hinaus wurde die eher staubige Materie deshalb interessant, weil Fuegi den Urheberrechtsstreit mit der Anklage sexueller Ausbeutung zu verbinden wußte.

"Wenn irgendjemand beweisen kann, daß Brecht mehr als fünf Prozent von 'Dreigroschenoper' geschrieben hat, dann möchte ich das sehen", sagte Fuegi und warf dem Berliner Ensemble vor, "Etikettenschwindel" zu betreiben. Wenn das Theater im Brecht-Jahr Stücke wie "Happy End" oder "Der Jasager" auf den Spielplan setze, ohne auf den Theaterplakaten den Namen Elisabeth Hauptmann zu erwähnen, könne man dies nicht anders nennen. Den Ausgang des jetzt angestrebten Urheberrechtsverfahrens prognostizierte der amerikanische Literaturprofessor so: "Die Erben erwartet jahrzehntelanger Ärger und am Ende vielleicht ein bißchen Geld."

Sollten sich alle als Musen verkappten mitarbeitenden Ehefrauen, Geliebten, Sekretärinnen bedeutender Autoren bzw. deren Erben am Vorbild Hauptmann orientieren und ihre Ansprüche geltend machen, muß die Literaturgeschichte womöglich umgeschrieben werden.