Über alles

Perlen

Kürzlich wurde ich in der Ankündigung einer Lesung als "Perle norddeutschen Humors" bezeichnet. Das geht ja noch. Meistens ist die Rede von "Kultautorin", wozu ja schon Werner (Wänä) gesagt hat, daß ein alter Trecker, wenn er angelassen wird, kultkultkult macht. Immerhin komme ich aber im Vergleich mit einem alten Trecker noch ganz gut weg.

Meine Oma Resi war auch einmal Perle, als sie vierzehn war; bei Frau Pastor, um die feine Küche zu erlernen. Wenn man früher vierzehn war, hatte man viel Hunger. Heute hat man mit vierzehn überhaupt keinen Hunger, weil man sonst die angesagten Klamotten nicht anziehen kann. Bei Frau Pastor war es mit der Küche nicht weit her. Wenn am Sonntagmittag Gäste zugegen waren und der Braten schon einmal herumgereicht worden war, hob Frau Pastor die Platte hoch, warf einen Blick darauf und sagte versonnen: "Oh - es reicht noch gerade für morgen - möchte noch jemand?" Da blieb Oma Resi immer hungrig. Später hatte sie selbst eine Perle, die aber die Berufsbezeichnung "Stütze der Hausfrau" trug, was sich als Fehler herausstellte, denn sie mutierte zur Stütze des Hausherrn. Resi mußte zum Schulrat, mit den beiden Kindern und auf den Knien, um ihn wieder rauszuhauen. Akademikern war es damals nicht erlaubt, mit 14jährigen Perlen oder Stützen was anzufangen. Also, auf jeden Fall war es dann nicht erlaubt, wenn es rauskam.

Heute gibt es keine Perlen mehr, außer bei Derrick, und da sind sie so eine Art Hausdame, die offensichtlich gar nichts tut, sondern mit am Familientisch sitzt und intrigiert und schöner als die Hausherrin aussieht, welche säuft oder psychotische Schübe hat und auch nichts tut, und ich frage mich immer, wer da wohl den Haushalt macht.

Ich selbst war einmal eine Au pair in einer französischen Familie. Ein Onkel aus dem Schwäbischen nannte mich dann "'s Ohperle". Das sagte er so oft, bis es wirklich nicht mehr komisch war. Die Kleinkinder kriegten vor dem Schlafengehen immer Glyzerinzäpfchen, damit sie vorher caca machen konnten. Das Reinstopfen der Zäpfchen in die Kinder war meine Aufgabe, was nicht leicht war, weil die den Arsch zukniffen. Ein Wunder, daß sie nicht pervers geworden sind. Oder ich.

Ich möchte keine Perle haben, das wäre mir viel zu anstrengend. Ich würde die natürlich nicht an meine Töpfe lassen und nicht an die Feinwäsche, und putzen müßte ich auch, bevor sie käme, weil ich das immer mache, wenn ich Besuch kriege.