Sans-papiers am Rhein

22 Kurden und Kurdinnen suchen in einer Kölner Kirche Schutz vor Abschiebung

"Kein Mensch ist illegal" steht in großen Lettern auf dem Transparent, das die Fassade der Kölner Antoniter-Kirche ziert. Kaum jemand, der durch die Schildergasse hastet, widmet dem Stück Stoff mehr als einen flüchtigen Seitenblick. Nur wenige finden den Weg in die Kirche, die seit Mittwoch vergangener Woche 22 kurdischen Frauen und Männern Schutz vor ihrer Abschiebung gewährt.

Für die Asylbewerbenden im Alter zwischen 14 und 63 Jahren ist die Aktion ihre letzte Chance, eine Abschiebung in die Türkei zu verhindern. "Sie stehen mit dem Rücken zur Wand und haben im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu verlieren. In die Türkei abgeschobene kurdische Asylbewerber müssen um ihr Leben fürchten", sagt Martin Rapp vom "Ökumenischen Netzwerk - Asyl in der Kirche in NRW". Rapp sind zahlreiche Fälle von Abgeschobenen bekannt, die in türkischen Polizeiwachen gequält und mißhandelt wurden.

Doch daß auch der kirchliche Einsatz nicht mehr unbedingt sicheren Schutz verschafft, mußten erst vergangenen Freitag Flüchtlinge in Glanzdorf bei Osnabrück erfahren. Dort beendete die Polizei gewaltsam ein Kirchenasyl. Die Beamten nahmen im Pfarrhaus der katholischen Gemeinde St.Marien ein kurdisches Ehepaar und fünf ihrer sechs Kinder fest. Noch am selben Tag wurden sie in die Türkei abgeschoben.

Ähnlich erging es im vergangenen Jahr vier kurdische Familien, die alle sofort nach der Landung auf dem Istanbuler Flughafen von der Polizei verhaftet wurden. Ali Shahindal aus Saarbrücken sperrten die Beamten in sogenannte Dunkelhaft, mißhandelten ihn beim Verhör, der aus Lübeck abgeschobene Cemil Kückkarga wurde gar gefoltert. Ein ähnliches Schicksal, so Rapp, drohe den 22 Frauen und Männern, "wenn wir es nicht schaffen, ihr Bleiberecht zu erkämpfen".

Auch sie müssen damit rechnen, in ihrer alten Heimat terrorisiert zu werden. Die Familie Dönekli lebt bereits seit zehn Jahren als geduldete Asylbewerber in Deutschland. Zwar war Vater Tahir Dönekli auch in seinem deutschen Exil weiterhin politisch aktiv, dennoch lehnten die Behörden seinen Asylantrag letztinstanzlich ab. Seinen zwei volljährigen Kindern wurde eine Duldung zur Beendigung ihrer Berufsausbildung gewährt, die Schulzeit der drei Minderjährigen steht allerdings nun nach Ansicht der Stadtverwaltung einer Abschiebung des Vaters nicht entgegen.

Die Familie Karakoc, ist seit Anfang diesen Jahres "illegalisiert". Die beiden Söhne von Elif und Ali Karakoc sind als Asylbewerber anerkannt, ein weiterer hat bereits die deutsche Staatsbürgerschaft. Immer wieder waren die Eltern wegen der politischen Aktivitäten ihrer Söhne polizeilicher Repression ausgesetzt. 1990 entschlossen sie sich, ihren Kindern aus der Türkei ins deutsche Exil zu folgen. Ihr Asylgesuch wurde zunächst abgelehnt, ein Folgeantrag positiv entschieden, um in der höheren Instanz dann doch wieder aufgehoben zu werden.

Da die Anträge der 22 KurdInnen rechtskräftig abgelehnt worden seien und ihnen die Abschiebung drohe, habe sich seine evangelische Gemeinde zu einer "Asylgewährung" entschieden, erläutert Karl Werner Pick, der Pfarrer der Antoniter-Kirche. Pick kann auf Erfahrungen in der Vergangenheit zurückgreifen: Im Juni 1992 besetzten zwei Roma-Familien die Kirche. Das Presbyterium wandelte diese Besetzung in ein "kirchliches Asyl" um. In zähen Verhandlungen gelang es nach über vier Jahren, die Familien zu "legalisieren".

Rund 220 Asylbewerber leben derzeit in der Bundesrepublik im Kirchenasyl. "Die Hälfte davon dürften Kurden und Kurdinnen aus der Türkei sein", schätzt Martin Rapp. "Wir hoffen auf eine breite gesellschaftliche Unterstützung gegen die unbarmherzige Abschiebepolitik." Der ökumenischen Netzwerker setzt auf eine Entwicklung, wie sie in den vergangenen Jahren in Frankreich zu beobachten war. Dort besetzten illegalisierte MigrantInnen, die Sans-papiers, Kirchen und trotzten mit weiteren spektakulären Aktionen der Regierung ein Aufenthaltsrecht für diejenigen ab, die ihren Lebensmittelpunkt seit Jahren in Frankreich haben.