Seelisch ausgeglichen rechtsextrem

Ein ehemaliger Wehrsportgruppen-Führer plant ein Siedlungsprojekt für "ähnlich denkende Deutsche" im bayerischen Sinning

Das 450-Seelen Dorf Sinning im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen droht zum bundesweiten Zentrum neonazistischer Umtriebe zu werden. Auf dem dortigen Anwesen des Rechtsextremisten Anton Pfahler geben sich Nazi-Größen - von DVU-Chef Gerhard Frey bis zum ehemaligen Mitglied der verbotenen Nationalistischen Front, Jens Pühse - die Klinke in die Hand. Inzwischen wurde außerdem bekannt, daß Pfahler auf seinem Areal ein Siedlungsprojekt für "Gleichgesinnte" plant - mit Eigentumswohnungen, Kindergarten, Grundschule und Lebensmittelselbstversorgung.

Erstmals in die Schlagzeilen geriet Sinning vor kurzem, als der Gemeinderat unter SPD-Bürgermeister Xaver Schiele zunächst einer Ansiedlung des NPD-Organ Deutsche Stimme auf dem Anwesen von Anton Pfahler zustimmte - mit der Begründung, die beantragte Nutzungsänderung könne aus baurechtlichen Gründen nicht abgelehnt werden. Zwar hat der Gemeinderat sein Votum inzwischen wegen des öffentlichen Drucks zurückgenommen und auch der CSU-Landrat kündigte an, alles gegen die geplante Ansiedlung der Redaktion zu unternehmen. Doch bei der Deutschen Stimme reagierte man schnell. Die Redaktion wurde in einen anderen Gebäudeteil des Pfahlerschen Anwesen verlegt, für das bereits eine baurechtliche Genehmigung besteht. Redaktionsarbeit und Versandhandel sind angelaufen.

Doch nicht nur die NPD findet Unterschlupf bei Anton Pfahler. Der ehemalige regionale Führer der Wehrsportgruppe Hoffmann, auf deren Konto unter anderem das Münchner Oktoberfest-Attentat geht (Bilanz: 13 Tote, über 200 Verletzte), hat offensichtlich weitreichende Beziehungen im rechtsradikalen Sumpf. So unterhält der aus Baden-Württemberg stammende Freiheitliche Volksblock - eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Heimattreuen Vereinigung Deutschlands - laut Verfassungsschutz in Sinning ein Schulungszentrum. Auch der Freisinger Rechtsextremist Jens Pühse ist bei Pfahler ein gern gesehener Gast. Wiederholt hat er dort Grillparties für den braunen Nachwuchs organisiert. Inzwischen soll er als Redakteur für die Deutsche Stimme angeheuert worden sein. Enge Verbindungen unterhält Pfahler auch zu rechten Esoteriker-Sekten. So ist er Mitglied der 1989 gegründeten "Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stämme in Europa" (ANSE), deren Weltbild aus einer kruden Mischung aus heidnischer Germanentümelei und esoterischen Elementen besteht und die laut dem "Handbuch Deutscher Rechtsextremismus" eine Art Vorfeldorganisation des nach außen stark abgeschotteten Armanen-Orden (Armanen = "Arier") darstellt.

Im Organ der ANSE Huginn und Muninn veröffentlichte Anton Pfahler bereits vor zwei Jahren einen Aufruf zur Beteiligung an einem Siedlungsprojekt der besonderen Art: "Um unser Leben arteigen und damit im seelischen Gleichgewicht führen zu können, wünschen wir eine Ansiedlung von ähnlich denkenden Deutschen." Ort der geplanten rechtsradikalen Idylle: Das Dorf Sinning. 300 Quadratmeter Wohnraum seien bereits vorhanden, verkündete Pfahler in seinem Aufruf stolz. Die Errichtung von sechs Eigentumswohnungen "in Eigenleistung und mit staatlichen Zuschüssen" sei geplant - Kosten pro Wohnung 130 000 Mark. Langfristig denke man an den Aufbau einer eigenen Lebensmittelversorgung, eines eigenen Kindergartens "und vielleicht einer Grundschule, deren Lehrer vom Freistaat Bayern bezahlt werden müssen". Der mit "Naturreligiöser Stammesverband der Bajuwaren" überschriebene Aufruf schließt mit den Worten: "Kommen Sie und sprechen Sie mit uns über eine glücklichere Zukunft in einer irre gewordenen Zeit, von der wir uns in den meisten Bereichen abkoppeln müssen."

Laut dem bayerischen Geschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN), Ernst Antoni, der Pfahlers Aufruf gemeinsam mit der PDS-Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter und dem Antifaschistischen Bündnis Ingolstadt in der vergangenen Woche öffentlich machte, ist das Sinninger Siedlungsprojekt nicht der erste derartige Fall einer versuchten braunen Landnahme. In Münsing am Starnberger See sei ein ähnliches Projekt am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Auch gegen den Nazi-Treff im niedersächsischen Hetendorf rege sich mittlerweile der Protest der Einheimischen. Nun soll auch in Sinning dem Treiben der Neofaschisten ein Riegel vorgeschoben werden - zusammen mit der Bevölkerung. Angestrebt werde ein breites Bündnis "bis hin zur CSU", erklärt Eva Bulling-Schröter. Das Antifaschistische Bündnis der Region startete mittlerweile eine Flugblattaktion, in der die Sinninger dazu aufgefordert werden, "ihr Dorf und auch andere Menschen vor solchen Machenschaften zu schützen". "Wollen Sie zulassen, daß Ihr ganzes Dorf durch die politische Vernarrtheit eines Einzelnen mit rechtsextremer Gewalt und Volksverhetzung in Verbindung gebracht wird?" heißt es in dem an alle Haushalte verteilten Rundschreiben. Für den 28. Februar ruft das Antifaschistische Bündnis zudem gemeinsam mit den Bündnisgrünen, der PDS und dem VVN zu einer Großdemonstration in dem 450-Seelen-Dorf auf.

Auch die Staatsorgane haben das Anwesen von Anton Pfahler offenbar schon länger im Visier. Allerdings sei das Areal "nur schwer einsehbar" klagte eine Ermittler der Kripo Ingolstadt gegenüber der Neuburger Rundschau. Zwei Hausdurchsuchungen durch die Polizei in den vergangenen zwei Jahren brachten ebenfalls praktisch kein strafrechtlich verwertbares Ergebnis. Dafür ermittelt die Polizei derzeit wegen eines Einbruchs in Pfahlers Wohnhaus. Unbekannte stiegen Mitte Januar in das Anwesen ein und stahlen die Festplatte eines Computers.