Zehrgeld für die Abschiebung

Große Koalition im Bundesrat will geduldeten Flüchtlingen die Sozialhilfe streichen

Im Windschatten der Gundgesetzänderung zum Großen Lauschangriff brachte der Bundesrat gleich noch ein Gesetzesvorhaben auf den Weg, das es in sich hat: Einer großen Gruppe von Flüchtlingen, betroffen sind vermutlich 250 000, soll der Anspruch auf Sozialhilfe komplett gestrichen werden. Auch medizinische Leistungen und Wohngeld soll es für die geduldeten und ausreisepflichtigen Flüchtlinge nicht mehr geben. Lediglich bei "unabweisbaren" Ansprüchen sollen noch befristete, geringfügige Hilfen gewährt werden. Wer zukünftig feststellt, was "unabweisbar" ist, bleibt in der Gesetzesvorlage unklar. Die Länderinitiative wird jetzt dem Bundestag vorgelegt.

Zuviele Flüchtlinge blieben nur hier, um die - für sie ohnehin um 20 Prozent gekürzte - Sozialhilfe abzugreifen, so die Botschaft der großen Koalition aus den unionsgeführten Ländern und den SPD-Regierungen in Brandenburg, Saarland und Niedersachsen. Wer nicht abgeschoben werden kann, soll jetzt ausgehungert werden. "Ohne eine Anspruchseinschränkung fehlt jeder Anreiz, Deutschland zu verlassen", begründete Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski den Entwurf. Und der Änderung des Asylbewerberleitungsgesetzes heißt es, die "Anspruchseinschränkungen" sollten diejenigen treffen, "die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen".

Die Initiative stammt aus dem Berliner Senat. Innensenator Schönbohm wollte zunächst "nur" ausreisepflichtigen AusländerInnen, die freiwillig ausreisen könnten, aber nicht oder noch nicht abgeschoben werden können, die Unterstützung versagen. Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen legten nach: Jetzt soll auch der Status der Duldung nach Deutschland geflüchteter Menschen einzig die Rückfahrkarte und ein "Zehrgeld" für unterwegs garantieren. Gekippt wurde in letzter Minute nur die Bestimmung, die allen illegal Eingereisten, und damit den meisten AsylbewerberInnen, die Leistungen gestrichen hätte. Betroffen von der Neuregelung wären vor allem vier Gruppen von Flüchtlingen: Die etwa 200 000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien, 50 000 aus dem Kosovo, VietnamesInnen, die noch als Vertragsarbeitende in die DDR gekommen waren, und Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan, Algerien und Somalia.

Das Asylbewerberleistungsgesetz, das am 1993 in Kraft trat, war von vornherein als Abschreckungsgesetz konzipiert. Es löste die für den Lebensunterhalt notwendigen Leistungen für AsylbewerberInnen aus dem Bundessozialhilfegesetz und schaffte für sie Sonderregelungen, so die Kürzung der Sozialhilfe um 20 Prozent und das Sachleistungprinzip. Diese Einschränkung dehnte der Bundestag mit einer ersten Gesetzesverschärfung bereits im vergangenen Jahr von AsylbewerberInnen auf alle Flüchtlinge in den ersten drei Jahren aus.

Während konservative Zeitungen die neuerliche Gesetzesverschärfung als Schlag gegen den "Mißbrauch der Sozialhilfe" (Berliner Morgenpost) bejubeln und ihre Kampagne gegen "Schleuserbanden" (FAZ) von einem Teilerfolg gekrönt sehen, erwarten Flüchtlingsgruppen untragbare Zustände. Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Asylgruppen und die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) übten scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf. Selbst das konservative katholische Büro der Deutschen Bischöfe meldete "gravierende Bedenken" wegen des Verstoßes gegen die Menschenwürde an, und Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almut Berger zeigte sich enttäuscht: Es sei ihr "unbegreiflich", daß Menschen, die aus humanitären Gründen eine Duldung erhalten, "mit massivem Druck zu einer sogenannten 'freiwilligen' Ausreise gezwungen oder womöglich in die Kriminalität oder Prostitution gedrängt werden". Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) hingegen hatte sich schon im vergangenen November für eine gesetzliche Neuregelung ausgesprochen: "Wer ausreisen kann, aber sich verweigert, darf nicht mehr unterstützt werden".