Den Stahlhelm langsam auf

Wieder steht der Bundesrepublik ein Golfkrieg ins Haus, doch die heutigen Töne lassen sich mit dem Aufruhr im Frühjahr 1991 nicht vergleichen. Kräftig ins Horn gestoßen wird zwar auch gegenwärtig von Befürwortern und Gegnern einer Strafexpedition, doch es scheint ein unausgesprochener Konsens in der Luft zu liegen, daß die Fehde mit Saddam Hussein eine Privatsache der US-Amerikaner ist, für die die Bundeswehr derzeit nicht ausrücken wird.

Und so üben sich vor allem die Politprofis in Schizophrenie. Die US-Amerikaner sollen an deutsche Solidarität glauben, Russen und Franzosen an die deutsche Diplomatie, und die Bevölkerung schließlich soll vor den Wahlen möglichst nicht beunruhigt werden. Niemand kann das besser unter einen Hut bringen als Außenminister Klaus Kinkel (FDP). In der ARD hielt er letzten Freitag deutsche Militärhilfe im Falle eines Schlags gegen den Irak für möglich. Die USA, so Kinkel, könnten dann mit deutscher Unterstützung rechnen, "ich schließe prinzipiell nichts aus". Im Bundestag versicherte er gar, daß Deutschland sich mit Diktatoren auskenne. Einer sei zu spät gebremst worden, "diesen müssen wir rechtzeitig bremsen". Nur zwei Tage zuvor hatte er FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms vorgeschickt, der - wie nebenbei - ausplauderte, daß Kinkel in einer Fraktionssitzung ausdrücklich klargestellt habe, Deutschland werde einen Militärschlag gegen den Irak weder militärisch noch finanziell direkt unterstützen.

Auch Bundeskanzler Helmut Kohl hatte das Thema Irak bei seiner Eröffnungsrede auf der Münchener Wehrkundetagung ausgeklammert. Erst als im Gefolge von US- Verteidigungsminister William Cohen angereiste US-Senatoren wie John Warner gedroht hatten, daß es einen "direkten Zusammenhang zwischen den Entscheidungen zu Irak und der zukünftigen Unterstützung der USA für die Nato" gebe, zog Kohl blank. Er sagte den USA die "volle politische Unterstützung Deutschlands" zu. Darüber hinaus bot er den USA die Nutzung deutscher Luftwaffenbasen an. Aber auch Kohl ließ einen Gegenpart auftreten. Verteidigungsminister Volker Rühe betonte auf der Tagung, daß es keine "lauwarme Unterstützung" gebe, ein militärischer Beitrag der Deutschen werde in dem Konflikt jedoch "nicht wirklich gebraucht", nicht einmal logistische Unterstützung. Die USA hätten zudem noch nicht um die Nutzung der deutschen Luftwaffenbasen für einen Militärschlag gegen den Irak nachgefragt.

Neu ist im Frühjahr 1998, daß die SPD nun auch in Militärangelegenheiten auf den Kurs der Koalition eingeschwenkt ist. Scharping stand letzte Woche im Bundestag seinem Kanzler in nichts mehr nach. Er verlangte eine harte Haltung gegenüber dem Irak. Sollte es trotz der diplomatischen Bemühungen Rußlands und Frankreichs nicht zu einer befriedigenden politischen Lösung kommen, müßten andere Schritte folgen. Es sei zu wünschen, daß das Regime Saddam Husseins verschwinde. Besonders groß sei die Verantwortung Deutschlands für diesen Konflikt, da der Aufbau des irakischen Waffenpotentials "ohne Hilfe deutscher Firmen nicht zustande gekommen" wäre. Zudem gehe es um die Sicherheit Israels.

Warnende parlamentarische Stimmen kommen höchstens von Bündnis 90 / Die Grünen oder der PDS. So beschwert sich Jürgen Trittin, Bundesvorstandssprecher der Grünen, daß die SPD im Irak-Konflikt nichts Eiligeres zu tun gehabt habe, als dem Bundeskanzler zur Seite zu springen. "Wie unter Kaiser Wilhelm" werde lediglich zur Kenntnis genommen, daß der Kanzler an einem Krieg teilnehmen wolle, ohne das Parlament zu fragen. Trittin schloß zudem im Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen eine deutsche Beteiligung an einem dritten Golfkrieg aus. Jedenfalls für sich. Helmut Lippelt argumentiert als Außenpolitiker der Grünen da schon wieder differenzierter. Er würde militärischen Aktionen zustimmen, wenn Israel vom Irak angegriffen wird. In der taz plädierte er für eine militärische Einhegung des Irak, um die Waffenkontrollen unter ständiger Militärdrohung fortsetzen zu können.

Solche Fingerübungen sind ehrenwert. Zumal der US-Kommandant am Golf, General Anthony Zinni, an Bord des Flugzeugträgers "George Washington" ankündigte, daß seine Streitkräfte in dieser Woche Angriffsbereitschaft melden können.