Soziale Frage in Braun

Neonazis wollen in Neustrelitz gegen Arbeitslosigkeit demonstrieren

Zunächst dachte man im Ordnungsamt beim Landrat im mecklenburgischen Neustrelitz, daß es sich bei der Anmeldung eines Aufmarsches unter dem Motto "Stopp der Arbeitslosigkeit, Stopp der sozialen Ungerechtigkeit" für den 28. Februar um Proteste von Arbeitslosen und Gewerkschaftern handelte. Auch der Name des Organisators weckte keinen Verdacht. Was die Damen und Herren im Ordnungsamt offenbar nicht wußten: Ronny Klein, der den Aufmarsch als Privatperson anmeldete, ist einer der führenden Köpfe des rechtsextremen sogenannten Unabhängigen Freundeskreises in Neustrelitz. Im Zusammenhang mit der "sozialen Frage" seien die Neonazis zum ersten Mal im vergangenen Frühjahr in Erscheinung getreten, heißt es aus Neustrelitzer PDS-Kreisen. Damals, bei den Montagsdemos gegen Sozialabbau im April 1997, sei der Unabhängige Freundeskreis mit eigenen Transparenten aufgetreten, die sich von den Forderungen her nicht von denen der Linken unterschieden hätten. Erst bei einer anschließenden Diskussion hätten sich Ronny Klein und Anhang durch rassistische und antisemitische Fragen als Rechte geoutet.

Der Unabhängige Freundeskreis kann in Neustrelitz auf eine gewisse Akzeptanz der Kommunalverwaltung bauen. Bis vor kurzem verfügte die rechte Jugendszene über einen eigenen Jugendclub namens "Saftladen", in dem Ronny Klein sich gerne als Sozialarbeiter aufspielte. Der Club ist zwar mittlerweile geschlossen, doch nach einem Ersatzobjekt wird ganz offiziell gesucht. Bei soviel Fürsorge scheint es denn auch nicht abwegig, wenn der Unabhängige Freundeskreis in seinem Aufruf für den Aufmarsch in der neofaschistischen Thule-Mailbox im Internet die Erwartung äußert, daß "viele Neustrelitzer Bürger an dem Aufmarsch teilnehmen werden". Die Zahl der erwarteten Teilnehmer habe Ronny Klein mit 500 bis 600 Personen angegeben, heißt es im Ordnungsamt von Neustrelitz.

Auch überregional ist der Unabhängige Freundeskreis gut vernetzt. Laut Schweriner Innenministerium unterhalten die Neustrelitzer Kader enge Kontakte zu Hamburger und Schleswig-Holsteiner Neonazis, so zum Beispiel zu André Goertz, umstrittener Führungskader der Jungen Nationaldemokraten (JN) und ehemals Mitglied der verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP). Rund 50 Neonazikader aus den drei Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg hätten sich zu einer sogenannten Norddeutschen Bewegung zusammengeschlossen, die zu einschlägigen Anlässen - wie beispielsweise den Rudolf-Heß-Aktionswochen - mehrere hundert Sympathisanten mobilisieren könnte, schätzt man in Schwerin.

Mittlerweile hat sich in Neustrelitz und Umgebung ein lokales Bündnis von Gewerkschaftern, Jugendorganisationen des DGB, Bündnis 90 / Die Grünen, Falken, Jungsozialisten und der PDS gebildet, die den Neonazis entgegentreten wollen. Unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit hat keine nationalen Grenzen" mobilisieren sie zu einer antifaschistischen Demonstration, die am 28. Februar um 11 Uhr auf dem Marktplatz von Neustrelitz beginnen wird und am Aufmarschort der Neonazis, der Integrierten Gesamtschule, enden soll. Bis zum Redaktionsschluß der Jungle World war unklar, wie das zuständige Landratsamt Mecklenburg-Strelitz auf die neue Situation reagieren wird. Der Pressesprecher erklärte gegenüber Jungle World, bevor es zu Entscheidungen komme, müsse man sich mit dem Innenministerium in Schwerin besprechen.