Treffpunkt Polacek

In Göttingen beginnt der Prozeß gegen Antifas, die das Haus eines ehemaligen FAP-Kaders angegriffen haben sollen

Mackenrode und kein Ende: Sechseinhalb Jahre nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen AntifaschistInnen und Neonazis im niedersächischen Mackenrode soll nun am 15. April fünf AntifaschistInnen vor dem Landgericht Göttingen der Prozeß gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft wirft den angeklagten vier Männern und einer Frau unter anderem Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung sowie in jeweils einem Fall versuchte Brandstiftung und versuchten Totschlag vor.

Zu den Hintergründen: Am 26. Oktober 1991 hatten sich rund 30 Neonazis im Haus von Karl Polacek, damals Kader der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), in Mackenrode versammelt. Die Antifaszene in Göttingen reagierte auf das Treffen mit einer Spontandemo zum Haus. Dort angekommen, wurden die ca. 50 DemonstrantInnen von den im Haus versammelten Neonazis sofort angegriffen. Im Verlauf der rund zwanzigminütigen Auseinandersetzung wurden vier Nazis schwerer und einige leicht verletzt. Die Polizei reagierte mit Straßensperren rund um Mackenrode, bei denen willkürlich die Personalien von 15 Personen festgestellt wurden.

Dieser Prozeß ist der letzte in einer Reihe von Verfahren, in denen das LKA Niedersachsen und die Generalstaatsanwaltschaft Celle versucht haben, antifaschistischen Widerstand in Göttingen zu kriminalisieren. Bei den vorhergehenden Verfahren wie z.B. im Antifa-M-Prozeß endete das mit empfindlichen Niederlagen, da diese entweder eingestellt wurden oder mit Freisprüchen endeten.

Das Haus von Polacek, der seine Neonazikarriere bei der NPD begann, diente schon seit 1983 als Treffpunkt für Neonazis aus Niedersachsen und dem gesamten Bundesgebiet. Inbesondere die FAP nutzte das Haus immer wieder als Schulungszentrum. Bei Polacek gingen Neonazikader aller Strömungen und Couleur ein und aus; er schulte einige der heute führende Neonazikader, wie beispielsweise Thorsten Heise. Und er nutzte sein Haus als Ausgangspunkt für gewalttätige Angriffe auf AntifaschistInnen und andere (vermeintliche) Gegner. In der Neujahrsnacht 1990/91 wurde Alexander Selchow, ein junger Mann aus Mackenrode, von dem Polacek-Zögling Oliver Simon auf offener Straße erstochen. Ein weiterer von Polacek in die JN rekrutierter junger Neonazi, Ingo Kretschmann, jagte sich 1987 mit einer selbstgebastelten Bombe in die Luft, und Polacek selber ist dafür bekannt, daß er mit besonderer Brutalität gegen Antifas vorgeht. Aufgrund öffentlichen Drucks mußte das niedersächsische Innenministerium Polacek im Frühjahr 1992 nach Österreich ausweisen.

Gleichzeitig intensivierte die Staatsanwaltschaft Göttingen ihre Ermittlungen gegen die gesamte Antifaszene in Göttingen, sowohl im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in Mackenrode als auch gegen die Antifa M. Im Fall der fünf wegen Mackenrode Angeklagten stützt sich die von Anklage vor allem auf die Aussagen von drei bekannten Neonazikadern - den als ehemaligen FAP- Landesvorsitzenden und Polacek-Nachfolger bundesweit bekannten Thorsten Heise sowie Michael Homeister und Stefan Koller. Homeister war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung aktives FAP-Mitglied. Seitdem hat er u.a. als Söldner für die faschistische Hoss in Kroation und als Waffenschmuggler für Aufsehen gesorgt. Zuletzt saß Homeister in der JVA Wolfenbüttel wegen mehrer Gewaltdelikte eine Haftstrafe ab. Stefan Koller war 1991 Leiter des "Referats Propaganda" der FAP. Er ist u.a. dadurch bekannt, daß er bei einem Neonazi-Prozeß mit einer Axt auftauchte und Schüsse auf Polizeibeamte abgab. Die drei Nazis "identifizierten" aus den ihnen vom LKA vorgelegten Lichtbildmappen der gesamten Göttinger linken Szene zunächst elf Personen, die sie trotz Vermummung der an der Antifa-Demo Beteiligten, erkannt haben wollten. Angesichts diverser Ungereimtheiten in den Ermittlungen ist zu vermuten, daß Beamte des niedersächsischen LKA den drei Nazis geholfen haben, ihre Aussagen so zu präzisieren, daß letztlich die fünf nunmehr Angeklagten als Hauptverdächtige des Verfahrens übrigblieben. Als weitere Zeugen hat die Staatsanwaltschaft im übrigen Stefan Bliesmer und Glenn Goertz geladen. Goertz war mehrere Jahre lang Geschäftsführer der FAP- Bundesgeschäftsstelle im schleswig-holsteinischen Halstenbek. Und Bliesmer gehörte als ehemaliger Schatzmeister der FAP-Niedersachsen und Mitglied der Wiking Jugend zum engen Kreis um Karl Polacek.

Nach den diversen Einstellungen von Verfahren gegen AntifaschistInnen in Göttingen, zuletzt im Verfahren gegen die Antifa M, war das Mackenrode-Verfahren unter fadenscheinigen Vorwänden immer wieder hinausgezögert worden. Angesichts der Tatsache, daß die Eröffnung der Hauptverhandlung jetzt jedoch unmittelbar bevorsteht, ruft die Prozeßsoligruppe dazu auf, den Prozeß zu besuchen.

Die Soligruppe ist zu erreichen über: Mackenrode Soligruppe, c/o Buchladen, Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen Prozeßkostenspenden: A. Goldau, Kto.-Nr. 415672-303, BLZ 25010030, PGA Hannover