Und danach ins Café Germania

Berliner Neonazis machen sich verstärkt im Bezirk Lichtenberg breit

Ein seit Dezember letzten Jahres existierender neuer Treffpunkt der Berliner Neonaziszene entwickelt sich immer mehr zum Sammelpunkt für organisierte Neonazis und das unorganisierte rechte Skinhead-Umfeld. Einschlägige Publikationen wie die von Christian Wendt, dem ehemaligen Pressesprecher der aufgelösten Sammlungsorganisation Nationalen e.V., betreute Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ) werben mit Begeisterung für das am Rande des Berliner Bezirks Lichtenberg gelegene "Café Germania".

Der Name ist Programm: Bei "germanischem Met" kann das kurzgeschorene, zumeist männliche Publikum indizierte Nazimusik hören, ungestört bis in die späten Nachtstunden Nazipropaganda lauschen und Angriffspläne auf vermeintliche Gegner schmieden. Auch der Name des Betreibers, der als "N.S. Körtegast" aufgeführt wird, ist dem "nationalen Publikum" angepaßt. Versuche, den Betrieb des Cafés zu behindern oder gar zu beenden, waren bisher wenig erfolgreich.

Mehrfach zerstörten AntifaschistInnen die breite Fensterglasfront des Cafés, bis diese durch Sicherheitsglas ersetzt wurden. Das Publikum, dem auch der bekannte Berliner Neonazikader und Anti-Antifa-Aktivist Oliver Schweigert angehört, scheint jedoch auch auf gewaltätigere Verteidigungsmaßnahmen vorbereitet. So wurden bei einer antifaschistischen Demonstration am 15. März vermummte Neonazis in Tarnanzügen vor dem Café und auf dem Dach des Hauses gesehen.

Wenige Tage später, während des Europacup-Rückspiels Borussia Dortmund gegen Bayern München am 18. März, versuchte eine Gruppe von Antifaschisten, das Café während der Öffnungszeiten mit Steinen zu bewerfen. Den maskierten Angreifern gelang es, ungehindert zu fliehen. Kurze Zeit später jedoch nahmen Polizeibeamte willkürlich fünf Personen in einem vorbeifahrenden Auto fest. Der Vorwurf: Schwerer Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Festgenommenen wurden kurz darauf von den Polizeibeamten den vor dem Café versammelten Nazis gegenübergestellt. Die Polizisten hatten den Festgenommenen die Kapuzen ihrer Pullover über den Kopf gezogen, ihre Gesichter teilweise noch mit Tüchern maskiert und dann vorgeführt.

Einer der fünf Festgenommenen wurde bei der Gegenüberstellung nicht wiedererkannt und am nächsten Tag ohne Haftprüfung freigelassen, die restlichen vier hingegen mußten zunächst in Untersuchungshaft. Bei einem Haftprüfungstermin wenige Tage später gelang es den Verteidigern der Festgenommenen, für zwei der Inhaftierten eine Haftverschonung zu erwirken. Die beiden anderen befinden sich allerdings weiterhin in Untersuchungshaft. In einem Fall hat das Landgericht Berlin Ende letzter Woche eine vom Amtsgericht angeordnete Haftverschonung, gegen die von der Staatsanwaltschaft Widerspruch eingelegt worden war, wieder aufgehoben.

Rechtsanwalt Sven Lindemann, der die polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen als "skandalös" kritisierte, befürchtet nun, daß auch der zweite Haftbefehl vom Landgericht Berlin, das über die eingereichte schriftliche Haftbeschwerde ohne mündliche Anhörung entscheiden kann, bestätigt wird und die beiden Antifaschisten längere Zeit in Untersuchungshaft bleiben müssen.

Das Café Germania hat sich mittlerweile zu einem etablierten Treffpunkt der immer offensiver auftretenden Neonaziszene in Berlin entwickelt. In direkter Nähe befindet sich im übrigen ein von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Nationalen Alternative betriebenes Tätowierstudio. Auch ansonsten treten organisierte Neonazis und Skinheads immer offensiver auf. NPD-Plakataktionen und Informationsstände in den Ostberliner Bezirken Lichtenberg, Marzahn und Hellersdorf gehören ebenso dazu wie Propagandaarbeit in Jugendzentren dieser Stadtteile sowie die ständige Präsenz einer rund 50köpfige Naziskingruppe vor dem Ringcenter in Berlin-Friedrichshain, wo sie gemeinsam mit Wachschützern gegen AntifaschistInnen vorgehen.

Parallel versucht die Berlin-Brandenburger Zeitung über ihre Internet-Seiten im Thule-Netz, die Anti-Antifa Kampagne weiter anzukurbeln. So drohte die BBZ Mitte März Aktionen gegen AntifaschistInnen und JournalistInnen an und forderte die Neonazis zur Bildung von "Anti-Antifa-Dokumentationstrupps" auf.