Hehlis World

Der Widerstand einer Bürgerinitiative gegen einen Neonazi-Laden in Ludwigshafen zeigt erste Wirkungen

Für die einen ist Christian Hehl einfach der dickste Neonazi der Bundesrepublik, für andere ist er ein nicht hinzunehmendes Ärgernis in ihrem Stadtteil. Der umtriebige Rechtsextremist gilt bereits seit über zehn Jahren als eine der zentralen Figuren unter den "Kameraden" in Rheinland-Pfalz, Ludwigshafen und Mannheim. Ob mit seiner Hooligantruppe "The Firm" bei Spielen des SV Waldhof Mannheim oder als Führungsfigur regionaler Neonazigruppierungen - Hehl stand in der ersten Reihe und machte von sich reden, was ihm diverse Gerichtsverfahren einbrachte. Nachdem er eine 15monatige Haftstrafe verbüßt hatte, dauerte es gerade mal zwei Jahre, bis Hehl im Juni vergangenen Jahres wieder vor Gericht stand: Er hatte einen linken Skinhead mit Knüppel und Messer angegriffen.

Doch da der Neonazi seit Dezember 1995 nicht mehr nachvollziehbar straffällig geworden war und sein Bewäh-rungshelfer ihm eine "positive Lebensgestaltung" bescheinigte, setzte das Gericht die nächste Haftstrafe zur Bewährung aus. Was mit "positiver Lebensgestaltung" gemeint war, wurde spätestens im Oktober vergangenen Jahres deutlich. Seitdem nutzt Christian Hehl seine Zeit nicht mehr nur dazu, an allen erdenklichen Aufmärschen der Neonazi-Szene teilzunehmen. Er betreibt auch seinen eigenen Laden mit dem Namen "Hehl's World" im Ludwigshafener Südviertel. Dort kann man alles erwerben, was das Neonazi-Herz begehrt: vom Troublemaker-Shirt über Fahnen bis hin zu entsprechenden CDs.

Mit der Eröffnung seines Ladens hat sich Hehl aber neben einer lohnenswerten Erwerbsquelle auch den Unmut zahlreicher Ludwigshafener BürgerInnen eingehandelt. Die nämlich sind alles andere als erfreut über das neue Geschäft in ihrem Viertel. Mittlerweile haben sich etwa 80 von ihnen zur Bürgerinitiative "Süd gegen Rechts" zusammengeschlossen, die erreichen will, daß der Laden geschlossen wird. Nachdem Stadtverwaltung und Polizei ihr Anliegen ignorierten, beschlossen die Aktivisten der BI, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Resonanz ist groß: Zu einer Veranstaltung, die die aktiven BewohnerInnen des Südviertels im März gemeinsam mit unabhängigen AntifaschistInnen organisiert hatten, erschienen über 200 Interessierte, die gar nicht alle Platz in dem Veranstaltungsaal fanden.

Viele sind nicht nur empört. Für sie ist der Hehl-Laden auch eine ganz konkrete Bedrohung. Ein Sprecher der BI berichtet von gehäuft auftretenden, bislang noch verbal gebliebenen Angriffen auf ausländisch aussehende Menschen und einem verstärkten Auftauchen von neonazistischem Propagandamaterial im Südviertel. Der Laden sei Anziehungspunkt für Neofaschisten aus der ganzen Region und ihr rechtes Umfeld geworden, so die Bürgerinitiative.

Erste kleine Schritte der BI, um Hehl mit seinem Laden das Leben im Südviertel schwer zu machen, sind bereits getan. So verbot der SV Waldhof Mannheim Hehl nach einem Hinweis der BI den Verkauf von Fanartikeln des Fußballvereins. Durch den mittels vielseitiger Öffentlichkeitsarbeit entstandenen Druck sieht sich mittlerweile auch die örtliche Staatsanwaltschaft bemüßigt, zu handeln. Die Ignoranz ist einem Ermittlungsverfahren gegen Hehl wegen Volksverhetzung gewichen. Anlaß ist eine Abbildung in einem "Hehl's World"-Katalog, auf der ein rechter Skinhead einem "am Boden Liegenden eine Fahnenstange in den Hals rammt, so daß das Blut spritzt", wie es ein Sprecher der Staatsanwaltschaft formulierte. Dem Ermittlungsverfahren folgte am 19. März eine Hausdurchsuchung bei "Hehli", wie der umtriebige Neonazi in der Szene nur noch genannt wird.

Für einen Widerruf der Bewährung und eine Inhaftierung Hehls hingegen sah man bei der Staatsanwaltschaft keine Notwendigkeit, was die Verantwortlichen demnächst bereuen könnten: Seit der Durchsuchung ist Hehl nicht mehr aufgetaucht, sein Laden war etwa zwei Wochen herrenlos und geschlossen. Selbst die Rolläden an den Fenstern blieben oben, was bereits in der ersten Nacht zu einem kompletten Glasbruch führte. Gerüchten aus Fascho-Kreisen zufolge ist der dickste Neonazi Deutschlands untergetaucht. Mittlerweile betreibt einer seiner Gesinnungsgenossen, denen der Boden zu Beginn auch zu heiß geworden zu sein schien, den Laden weiter. Längerfristig geschlossen bleiben wird hingegen wohl das benachbarte Tattoo-Studio, das von dem Neonazi Michael Haber geführt wurde: Der Hehl-Freund wurde im März zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.