»Klestil kann sich rühmen, Wegbereiter zu sein«

Heide Schmidt, Präsidentschaftskandidatin und Parteivorsitzende des Liberalen Forums. Heide Schmidt war bis 1993 Generalsekretärin der FPÖ

Ein wesentliches Merkmal Ihres Wahlkampfs ist die strikte Gegnerschaft zu Jörg Haider. Sie behaupten gerne und konsequent, sollten Sie Bundespräsidentin werden, Haider unter keinen Umständen mit der Regierungsbildung beauftragen zu wollen. Warum konzentrieren Sie sich so auf Ihren früheren Chef?

Nach wie vor ist es relativ unwahrscheinlich, daß die FPÖ stimmenstärkste Partei wird - und daß Haider somit Bundeskanzler werden könnte. In seiner Partei mangelt es schlicht an Demokratie. Jörg Haider, das weiß ich aus eigener Erfahrung, handelt nach dem Motto, daß der Zweck alle Mittel heiligt. Er versucht gezielt, Leute gegeneinander auszuspielen. Es wäre unverantwortlich, ihn an die Spitze des Staates zu lassen. Für eine Regierung müssen andere Maßstäbe gelten als bloße Mehrheitsverhältnisse im Parlament.

Nun steht Haider aber gar nicht zur Wahl. Und doch scheint es, als würde er den Präsidentschaftswahlkampf geschickt für sich instrumentalisieren und alle fallen darauf herein.

Die Positionen der einzelnen Kandidaten zu Haider wurden in diesem Wahlkampf sicher zu einem wesentlichen Moment. Und das ist auch richtig so. Gerade in dieser Frage muß der Bundespräsident für die Wähler einschätzbar sein.

Die einzige außer Ihnen, die bisher als Kandidatin Haider strikt abgelehnt hat, war Gertraud Knoll. Aber seit neuestem wackelt auch sie. Knoll äußerte kürzlich, im Fall der Fälle müsse man eben auch Mehrheitsverhältnisse zur Kenntnis nehmen. Fühlen Sie sich als Haider-Gegnerin nun allein gelassen?

Vielleicht hat Gertraud Knoll eine höhere Bereitschaft, Leute zu verschrecken. Als Juristin habe ich ein Verfassungsverständnis; Frau Knoll als evangelische Geistliche muß sich in diesem Bereich auf Interpretationen ihrer Berater verlassen. Ich weiß hingegen, worauf ich mich mit meiner exponierten Position einlasse.

Der amtierende Bundespräsident Thomas Klestil hat sich auf eine Unterstützung durch Haider eingelassen. Welche Auswirkungen kann das auf seine nächste Amtszeit haben?

Der Arme befindet sich in einer Doppelmühle. Schließlich unterstützt ihn Haider und Klestil wirbt umgekehrt für ihn. Es wäre in Zukunft unredlich von Klestil, sich nicht erkenntlich zu zeigen. Die große Gefahr besteht darin, daß Haider durch eine mögliche Rückendeckung des Bundespräsidenten eine Aufwertung erfährt. Eines ist ganz klar: Klestil hat gezeigt, daß er nicht selbständig handelt, er ist eben pragmatisch. Und da läßt er sich zugunsten seiner Wiederwahl sogar auf vorauseilenden Gehorsam gegenüber Haider ein.

Klestil wirbt aber nicht nur mit Haider, sondern auch mit seiner Weltläufigkeit, seiner außenpolitischen Kenntnis und seinen Kontakten zu Politikern und Diplomaten in aller Welt. Könnte nicht seine Unterstützung für einen international kaum geachteten Politiker wie Haider Klestils Renommee nach außen gefährden? Gibt es einen neuen "Waldheim-Effekt"?

Nein, das sehe ich nicht. Bundespräsident Klestil ist gelernter Diplomat und er wird sicher keine Mühe haben, sein Handeln so diplomatisch wie möglich zu rechtfertigen.

Trotz aller Anstrengungen, sich überparteilich zu geben, ist Klestil in erster Linie Kandidat der bürgerlichen Volkspartei. Also hat er dort auch Einflüsterer. Ist der Schmusekurs zwischen Klestil und Haider ein Signal für eine mögliche schwarz-blaue Koalition?

Es scheint mir durchaus möglich, daß dies ein Teil der ÖVP-Strategie ist. Vielleicht will man den derzeit mit der ÖVP koalierenden Sozialdemokraten schon mal die Rute ins Fenster stellen. Sollte es nach den nächsten Wahlen wirklich zu einer schwarz-blauen Koalition kommen, kann sich Klestil zumindest rühmen, deren Wegbereiter zu sein.