Ohne Wahl zum Sieg

Die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten verkommt zur Farce, weil ein Sieger bereits feststeht: Jörg Haider

"Härr Schmutzärr, Härr Schmutzärr", ruft der Kapellmeister der Vier-Mann-Combo, die extra für den Wahlkampfauftakt aus Bratislava angereist ist. Doch Herr Kommerzialrat Heinz Schmutzer, Wahlkampfleiter des Kandidaten zur Präsidentschaftswahl 1998, Karl Walter Nowak, hört den Mann nicht. Er fährt gerade mit "seinem" Kandidaten und 6 500 Unterstützungsunterschriften in einer weißen Hochzeitskutsche vor dem Innenministerium vor.

"Spülts, spülts", ruft ein Nowak-Sympathisant mit rotweißroter Fahne der Kapelle zu. Doch die will nicht. "Härr Schmutzer hat nicht bezahlt", sagt der Bandleader zornig. Dann packen er und seine Musiker zum Gaudium der versammelten Medienmeute ihre Instrumente wieder zusammen und reisen unverrichteter Dinge ab. Der Ingenieur Karl Walter Nowak ist einer von fünf Kandidaten, die sich am 19. April zur Wahl des österreichischen Bundespräsidenten stellen. Und obwohl ihm die Meinungsforscher nur rund ein Prozent der Wählerstimmen zubilligen, hatte er bei seinen skurrilen Wahlkampfauftritten fast soviel Medienpräsenz wie der amtierende Bundespräsident Thomas Klestil.

Österreichs innenpolitische Journalisten freuen sich über Figuren wie Nowak, die den bis dato wenig abwechslungsreichen Wahlkampf ein bißchen anreichern. Auch fällt bei Nowaks Biographie einiges Berichtenswertes ab. Der 54jährige kommt immerhin aus dem rechten Teil der Grünen-Bewegung, ist Anhänger des umstrittenen deutschen Wunderheilers Geerd Ryke Hamer, absolvierte ein Training bei Scientology und pflegt Kontakte zur rechtsextremen Szene.

Ähnlich unterhaltsam gestaltete sich auch der bisherige Wahlkampf des Wiener Bau-Unternehmers Richard Lugner, der sich ebenfalls Chancen auf den Sitz in der Wiener Hofburg ausrechnet.

Der Society-Löwe Lugner war bisher nur in den Klatschspalten der Boulevardpresse aufgefallen. Einmal im Jahr waren ihm die Schlagzeilen sicher, wenn er in seine Loge beim Wiener Opernball gekrönte Häupter oder abgehalfterte Schauspielerinnen einlädt - gegen Cash natürlich. Sollte er zum Bundespräsidenten gewählt werden, will er die High-Society Europas zum Skifahren nach Kitzbühl einladen. Dies hat er dem Wahlvolk, das ihn liebevoll "Mörtel" nennt, bereits versprochen. Bei Wahlveranstaltungen läßt er Lugner-Uhren, Lugner-Kaffeetassen und Fotos, die ihn mit dem verstorbenen Pop-Star Falco zeigen, verteilen. Die Medien schätzen die gelungenen Auftritte des Anwärters, Meinungsforscher trauen ihm fünf bis sieben Prozent der Stimmen zu. Das Staatsoberhaupt wird immerhin direkt gewählt.

Noch nie in der zweiten Republik haben sich so viele Kandidaten um die Präsidentschaft beworben. Bis dato war die Wahl zum Bundespräsidenten immer ein Rennen zwischen den beiden Großparteien, der christdemokratischen ÖVP, die mit Kurt Waldheim und Thomas Klestil die letzten beiden Präsidenten stellte, und den Sozialdemokraten von der SPÖ, die aber dieses Mal keinen Kandidaten ins Rennen schicken.

Die SPÖ unterstützt damit indirekt den Kandidaten des "kleineren" Regierungspartners ÖVP, den derzeitigen Amtsinhaber Thomas Klestil. Zudem bewerben sich noch die evangelische Pastorin Gertraud Knoll und die liberale Parteichefin Heide Schmidt. Zwei weitere Kandidaten hatten die Hürde von 6 500 Unterstützungsunterschriften nicht gepackt.

Oberflächlich betrachtet scheint es, als sei die Rolle des Bundespräsidenten zum lächerlichen Grüß-August verkommen. Konservative Kommentatoren sprechen bereits davon, daß die Wahl zum Bundespräsidenten zu einem Klamauk "zwischen Schamlosigkeit, Ahnungslosigkeit und Anmaßung" mißbraucht werde. Zwar nimmt der Bundespräsident gemäß der österreichischen Verfassung nach außen - ähnlich wie die englische Queen - hauptsächlich Repräsentationsaufgaben wahr, tatsächlich jedoch hat das Staatsoberhaupt durchaus Möglichkeiten zur Mitbestimmung. Er beauftragt nach Parlamentswahlen eine der stimmstärksten Parteien mit der Regierungsbildung, er ernennt die Regierung und ist zudem Oberbefehlshaber des Bundesheeres.

Diese umfangreichen Kompetenzen stammen noch aus den dreißiger Jahren, als die politische Rechte das österreichische Parlament mit einem starken Gegenpol konfrontieren wollte. Eine durch Volkswahl legitimierte starke Persönlichkeit sollte einer "alle paar Jahre volksfremder werdenden, überspitzten parlamentarischen Pseudodemokratie" (Prälat Ignaz Seipel, seinerzeit Führer der Christlich-Sozialen Partei) entgegentreten.

Zudem geht es bei der Wahl zum Bundespräsidenten um eine der wichtigsten innenpolitischen Weichenstellungen der nächsten Jahre: nämlich um die Frage, ob der Rechtspopulist Jörg Haider in die Regierung aufgenommen wird. Wie ein steinerner Gast waren Haider und die Freiheitlichen, die keinen Kandidaten aufgestellt hatten, daher in den letzten Wochen in fast jeder Wahlberichterstattung präsent - zumeist indirekt: Wer spricht sich wie für oder gegen Haider aus, wer trifft sich mit ihm, wer meidet ihn?

Am deutlichsten hat sich im Wahlkampf die Kandidatin Heide Schmidt, Vorsitzende des Liberalen Forums von Haider distanziert. Selbst wenn Haider bei den nächsten Wahlen die Mehrheit der Stimmen erringen würde, hätte er bei ihr keine Chance auf eine Regierungsbeteiligung, erklärte Schmidt im Wahlkampf kategorisch. Ihre Distanz zu Haider erklärt sich auch aus ihrer politischen Biographie: Schmidt hatte sich im Februar 1993 mit einigen Getreuen von Haiders Partei abgespalten, weil sie deren radikalen Kurs in der "Ausländer-Frage" nicht mehr teilen wollte.

Doch nicht Jörg Haider ist Heide Schmidts größter Gegner im Wahlkampf, sondern das österreichische Boulevardblatt Kronen Zeitung als dessen verlängerter publizistischer Arm. Die radikal fremdenfeindliche und haiderfreundliche Zeitung - umgerechnet auf die Einwohnerzahl Österreichs ist sie die größte Tageszeitung der Welt - hetzt seit Monaten mit Schlagzeilen wie "Schmidt voll Haß" gegen die Liberale. Dennoch prophezeien Meinungsforscher ihr acht bis zehn Prozent der Stimmen.

Im Gegensatz zu Schmidt hatte Gertraud Knoll, evangelische Pastorin, bereits im Vorfeld ihren Frieden mit der Kronen Zeitung und ihrem mächtigen Herausgeber Hans Dichand gemacht. Knoll, die von Teilen der Grünen und einzelnen Sozialdemokraten unterstützt wird, war schon am Anfang ihrer Wahlkampagne mit Dichand zusammengetroffen. Seither sind ihre Auftritte hauptsächlich von Taktik geprägt. Anfangs trat sie noch gegen Jörg Haider und die Freiheitlichen auf und protestierte mehrfach gegen die Asylpolitik der Bundesregierung. Mittlerweile geht der Wahlkampf seinem Ende entgegen und ihre politischen Äußerungen haben sich angepaßt. "Die Richtung stimmt", kommentierte sie zuletzt die gleiche restriktive Abschottungspolitik der Regierung. Knolls Taktik scheint erfolgreich zu sein: Bis zu zwanzig Prozent der Stimmen trauen ihr die Demoskopen zu.

Doch auch ein Überraschungserfolg der Pastorin wird die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Thomas Klestil nicht gefährden können. War der ehemalige Karrierediplomat noch vor sechs Jahren mit der Parole "Macht braucht Kontrolle" angetreten, so plakatierten seine Wahlhelfer diesmal ganz staatstragend "Demokratie braucht Sicherheit".

Spätestens seit die Medien Klestils Seitensprung mit seiner früheren Wahlkampfmanagerin und der anschließenden Trennung von seiner Frau monatelang ausgewalzt hatten, ist der amtierende Bundespräsident, der sich gern als "moralische Autorität" gibt, innenpolitisch arg angeschlagen.

Mit dem Beginn des Wahlkampfs begab sich Klestil zudem endgültig in die Geiselhaft von Jörg Haider und seinen Freiheitlichen. Monatelang ließ der rechtspopulistische Parteiführer offen, ob Klestil nun von den Freiheitlichen unterstützt werde oder nicht. Genüßlich zelebrierte Haider mehrere Treffen mit dem Bundespräsidenten in dessen Amtssitz in der Wiener Hofburg, bei denen sich der F-Chef von Klestils Politik überzeugen lassen wollte. Der amtierende Bundespräsident revanchierte sich mit der Einladung Haiders zu einem Staatsbankett mit dem französischen Ministerpräsidneten Jacques Chirac und lieferte mit dem Treffen Chirac-Haider den Wahlstrategen der Freiheitlichen ein gefundenes Fressen. Gilt es doch, Haiders Image weiter in Richtung Regierungsfähigkeit zu trimmen.

Auch über Klestils Rolle im Jahr 1995, als der Parteichef der "schwarzen" ÖVP, Wolfgang Schüssel, laut über einen Koalitionswechsel von der "roten" SPÖ zu Haiders "Blauen" nachdachte, ist wieder Streit ausgebrochen. Mitarbeiter und Vertraute Klestils streuen seit Monaten das Gerücht, Klestil habe Schüssel damals von einem Koalitionswechsel abgeraten. Die Gunst der Sozialdemokraten soll so gesichert werden. Doch als Klestil vor einer Woche bei einer TV-Konfrontation mit Journalisten darüber befragt wurde, wollte er zu den Vorkommnissen im Jahr 1995 keine Auskunft mehr geben. Er sei auf das Kommende orientiert und könne daher "einen Wechsel zu Schwarz-Blau in Zukunft nicht mehr ausschließen".

Egal wie die Wahl am 19. April ausgehen wird, ein Sieger steht auf jeden Fall schon heute fest: Jörg Haider.