Bienvenu im Industrie-Club

Französische Spitzenunternehmer sprechen sich für Bündnisse mit dem Front National aus

Zwei ausgesprochen ranghohe Repräsentanten des französischen Kapitals haben kürzlich im aktuellen Streit darüber, ob das bürgerlich-konservative Lager den aufstrebenden Neofaschismus in den Rang der Regierungsfähigkeit heben soll oder nicht, eindeutig Stellung bezogen. Einer tat dies noch vor den Wahlen zu den Regionalparlamenten am 15. März, in deren Folge besagte Debatte ausgelöst wurde, der andere äußerte sich nach diesem Termin.

Am 3. März hielt Ambroise Roux, mit 75 Jahren eine der grauen Eminenzen des französischen Großunternehmertums, den Zeitpunkt für geeignet, zu der sich am Horizont abzeichnenden Frage von Bündnissen mit Rechtsextremen in den Regionalräten Position zu beziehen. Bei der Vollversammlung der Französischen Vereinigung Privater Unternehmer (AFEP) erklärte er, die bürgerlichen Parteien RPR und UDF täten gut daran, die derzeit von ihren Parteispitzen kultivierte Verweigerung von Bündnissen mit dem Front National (FN) aufzugeben. Der FN sei durch den Einfluß seines Chefideologen und -strategen Bruno Mégret - der den alternden Parteichef Jean-Marie Le Pen mehr und mehr aus seiner Führungsposition verdrängt - zur Respektabilität aufgerückt.

Der AFEP gehören rund 70 Oberhäupter sehr bedeutender Großunternehmen, Banken und Versicherungsgesellschaften an. Den Präsidenten und Gründer der Vereinigung, Ambroise Roux, bezeichnete Le Monde kürzlich als "Papst des französischen Kapitalismus, eine Art Friedensrichter des Establishments, der Reputationen begründen (...) und Konflikte im Milieu der Geschäftsleute schlichten kann". Roux kassierte, solange er dem Elektrokonzern Compagnie Général d'ƒlectricité als Generaldirektor vorsaß, das höchste Einkommen ganz Frankreichs. Offenbar haben sich allerdings mehrere Mitglieder der AFEP über die jüngsten Äußerungen Roux' heftig empört. Le Monde zufolge fordern einige von ihnen hinter vorgehaltener Hand den Rücktritt des Vorsitzenden ihres Unternehmerclubs. Bisher war das Bekenntnis von Roux zu einem Antirepublikanismus im Sinne einer katholisch-monarchistischen Rechten in Unternehmerkreisen eher als eine Art schicken Exzentrikertums angesehen und nicht ernst genommen worden.

Während der schweren innenpolitischen Krise, die am 20. März durch die Pakte bürgerlicher Regional-Politiker mit dem FN ausgelöst wurde, hielt sich die Wirtschaftswelt weitgehend dezent zurück. Schockiert über die Ereignisse, die eine Welle der Empörung mit sich brachten, war man freilich nicht. Denn obwohl die Börse bei jeder Bedrohung der innenpolitischen Stabilität normalerweise Einbußen verzeichnet, registrierte sie diesmal zur selben Zeit Rekordwerte. Am 11. April sprang dann ein zweiter "alter Herr" aus den Führungsetagen des französischen Kapitals auf den Zug Richtung FN. In einem Zeitungsinterview bekannte sich Jacques Calvet, ehemaliger Generaldirektor des Automobilkonzerns PSA (Peugeot- Citro'n) zur Möglichkeit von Allianzen mit dem FN in Regionalparlamenten. Calvet, der seit seinem Rückzug aus dem Wirtschaftsleben die Aufnahme politischer Aktivitäten in der bürgerlichen Rechten erwägt, erklärte, solche Bündnisse seien "von Fall zu Fall zu beurteilen und nicht aus Prinzip zu verdammen". Zwar sei es bedenklich, daß der FN eine Reihe republikanischer Grundprinzipien wie die Gleichheit der Menschen "nicht respektiert", doch handele es sich um eine legale und anerkannte Organisation. Daher gebe es kein Recht, den FN "aus dem politischen Spiel auszuschließen".

Nun sind weder Ambroise Roux noch Jacques Calvet der ideelle Gesamtagent des Kapitals. Beide sind Unternehmer vom alten Schlag, die persönlich die Geschicke "ihrer" Gesellschaften leiten und stark mit ihrer Nationalökonomie verflochten sind. Daß andere, stärker internationalisierte Sektoren der Ökonomie ihnen bei ihrer politischen Option folgen, ist eher unwahrscheinlich.