US-amerikanischen Journalisten und Menschenrechtler Leonard Zeskind

Deutsch-amerikanische Freundschaft

US-amerikanische und deutsche Rechte arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Mit dem Aufschwung der deutschen Rechtsextremen erhoffen sich auch Neonazis in den USA neuen Schwung. Leonard Zeskind, Journalist und Direktor des Instituts für Bildung und Recherche zu Menschenrechtsfragen in Kansas, verfolgt seit mehr als zwei Jahrzehnten die Entwicklungen in der rechten Szene in Nordamerika und Europa. Auf Einladung des Antifa-Infoblatts und der internationalen Antifazeitung Searchlight bereiste Leonard Zeskind Europa, um über die Verflechtungen zu informieren.

Wo gibt es momentan Verbindungen zwischen deutschen und US-amerikanischen Neonazis?

Offensichtlich gibt es gute Beziehungen zwischen der NPD und der National Alliance von William Pierce, einer der größten und einflußreichsten militanten Neonazi-Gruppierungen in den USA. Pierce, dessen Hauptquartier in West Virginia quasi-militärisch abgesichert ist, wirbt auf den Internet-Seiten der National Alliance für die NPD, und beim Passauer Wahlkongreß der NPD im März dieses Jahres war er als Gastredner vorgesehen. Darüber hinaus verfügt die DVU über Kontakte zur Liberty Lobby von Willy Carto, einer rassistischen und antisemitischen Gruppierung, die ihre eigentlichen Ziele hinter dem Deckmantel des Populismus versteckt. Und es gibt die schon seit Jahren gut funktionierende Zusammenarbeit der Holocaust-Leugner, einem internationalen Netzwerk von Rechtsextremen aus Deutschland, den USA und anderen europäischen Ländern.

Hat die Inhaftierung von Gary Lauck, dem US-amerikanischen Anführer der NSDAP/AO, dieser deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit nicht geschadet?

Bis zu seiner Festnahme in Dänemark im Jahr 1995 und seiner anschließenden Verurteilung und andauernden Inhaftierung in der Bundesrepublik spielte Lauck eine wichtige Rolle, weil er einen großen Teil des neofaschistischen Propagandamaterials für den deutschen Markt druckte und vertrieb. Außerdem warb er in der internationalen Neonazi-Szene Söldner für die kroatischen Milizen im Jugoslawien-Konflikt an. In den USA selber hatte Lauck - trotz guter Kontakte zu alten Nationalsozialisten - keine wichtige Führungsrolle. Wir haben ihn immer als den "Kofferträger" der deutschen Neonazis bezeichnet. Und seit seiner Inhaftierung befindet sich die gesamte NSDAP/AO in der Krise, auch wenn weiterhin Propagandamaterial produziert und verschickt wird.

Wo sehen Sie Unterschiede zwischen der rechtsextremen Szene in den USA und in Deutschland?

Die liegen im wesentlichen im Parteiensystem begründet. Wegen des US-amerikanischen Wahlsystems hat dort eine dritte Partei neben den Demokraten und den Republikanern keine Chancen. Wahlerfolge einer Partei wie der DVU in Sachsen-Anhalt gibt es in den USA daher nicht. Dort sammelt sich das rechte Spektrum größtenteils innerhalb der Republikanischen Partei. Ähnlichkeiten existieren im Bereich der rechtsextremen und neofaschistischen Organisationen, wenn man sich beispielsweise das Vorgehen der NPD und der National Alliance anschaut.

Spiegeln sich diese Gemeinsamkeiten denn auch in den politischen Programmen wider?

Rassismus ist international der gemeinsame Nenner für Rechtsextreme. Bis 1986 wurde beispielsweise die Kampagne gegen Migranten, Migrantinnen und Flüchtlinge nur von der rechtsextremen Terrorgruppe Aryan Nation vorangetrieben. Inzwischen ist das Thema vom gesellschaftlichen Mainstream und insbesondere der Republikanischen Partei aufgegriffen worden. Der Einfluß der extremen Rechten und Rassenfanatiker macht sich auch im Bereich der Antidiskriminierungsgesetzgebung bemerkbar. In den siebziger Jahren war es nur der Ku-Klux-Klan, der gegen diese Gesetze beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt mobilisierte. Mit der Behauptung, daß Weiße durch diese Gesetze benachteiligt und zu den eigentlichen Opfern gemacht würden, versuchte der Klan relativ erfolglos, neue Anhänger zu gewinnen. Inzwischen wird die These, daß Weiße in einer multikulturellen Gesellschaft ausgeschlossen würden, in weiten Kreisen der US-Gesellschaft akzeptiert und hat auch Auswirkungen auf die Regierungspolitik.

In Deutschland sind es vor allem rechte Skinheads, die für die gewalttätigen Angriffe gegen Flüchtlinge und Linke verantwortlich sind. Gibt es in den USA eine ähnliche Bedrohung?

Auch in den USA existiert eine gewalttätige rechte Skinhead-Bewegung, die sich als Subkultur etabliert hat. Im Gegensatz zu Deutschland scheuen die Skinheads hier allerdings das Rampenlicht und Aufmärsche, weil sie befürchten, daß Bürgerrechtsorganisationen und Antifas ihre Adressen veröffentlichen. Die größere Gefahr besteht allerdings darin, daß sich die organisierten Rassisten in der Mitte der Gesellschaft etablieren können und sich gleichzeitig der rechte Rand weiter radikalisiert.

Wie reagiert die US-amerikanische Öffentlichkeit auf die jüngsten Entwicklungen in Deutschland?

Anfang der neunziger Jahre wurde von den tonangebenden Zeitungen wie der New York Times ein härteres Vorgehen des deutschen Staats gegen Rechts gefordert. Die Besorgnis über die jüngsten Ereignisse in Sachsen-Anhalt und rassistische Angriffe schlägt sich nach wie vor in der Berichterstattung über Deutschland nieder. Allerdings werden sie nicht als ein Ausdruck von deutschem Nationalismus, sondern als Reaktion auf Arbeitslosigkeit und Spätfolgen der deutschen Vereinigung interpretiert.