Hetendorf in Sachsen

Die "Hetendorfer Tagungswoche" fand in diesem Jahr zwischen Görlitz und Zittau statt

Vier Monate ist es her, daß das niedersächsische Innenministerium das Neonazizentrum Hetendorf 13 schloß und die beiden Trägervereine "Heideheim" und "Heide-Heim" verbot. Die bis zu diesem Zeitpunkt größte Veranstaltung des Zentrums in der Lüneburger Heide und zentrales Moment in der Verbotsbegründung war die "Hetendorfer Tagungswoche".

Eine Woche lang trafen sich hier Jahr um Jahr im Juni mehrere Hundert Neonazis zur Feier der Sommersonnenwende und zu Vorträgen führender Rechtsextremisten. Parallel dazu fanden seit 1991 Treffen der rechtsextremen Artgemeinschaft, der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e.V., des Nordischen Rings und ähnlicher Gruppierungen statt, die von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger dominiert werden. Der Neonazi-Multifunktionär war stets auch führend an der Ausrichtung und Organisierung der "Tagungswoche" beteiligt.

In diesem Jahr wäre es die achte "Hetendorfer Tagungswoche" geworden. Rieger & Co. haben dieses Jahr nicht nur nach einem anderen Ort suchen müssen, sondern auch den Namen der Veranstaltung geändert: In der vergangenen Woche fanden in Ostritz im östlichen Sachsen die "1. Mitteldeutschen Vortragstage" und im Anschluß daran am Wochenende das "Mittsommertreffen" statt. Eingeladen hatten die üblichen Vereine und Gruppierungen - darunter die Northern League und der Verein für naturgemäßes Leben e.V. Als Veranstalter zeichnete Rieger "mit artgläubigem Gruß" verantwortlich.

Das Programm entsprach den Bedürfnissen. Während die "Vortragstage" beispielsweise eine "ganztägige Busfahrt nach Schlesien", Versammlungen der Vereine und einen Vortrag des Berliner Professors Klaus Weinschenk zu bieten hatten, konnte sich der Neonazi beim "Mittsommertreffen" des Tanzes um "Metkessel" und Feuer erfreuen, sich am "germanischen Sechskampf" mit "Axtzielwurf" beteiligen oder sich im Runenwissen unterrichten lassen.

In den Genuß dieser selbst in Neonazi-Kreisen selten gebotenen Attraktionen, die durch den Gesang des Nazi-Reimers Frank Rennicke abgerundet wurden, kam aber nur, wer seinen gültigen Personalausweis vorlegte und die Anmeldung schriftlich bestätigte. Zudem mußte man das nötige Kleingeld parat haben: Neben Tagungsgebühren waren für ein Einzelzimmer im Hotel Neißeblick immerhin 69 Mark pro Nacht zu berappen. Wer diesen Betrag nicht aufbringen konnte, durfte allerdings auch auf dem Tagungsgrundstück zelten. Wohl nicht zuletzt auch wegen dieser organisatorischen Hürden versammelten sich zu den "Vortragstagen" in Ostritz zwischen Görlitz und Zittau lediglich einige Dutzend Kader und Mitglieder der einladenden Vereine.

Kaum größerer Beteiligung gab es beim "Mittsommertreffen". Die Sommersonnenwende in der Nacht auf den 21. Juni galt stets als Höhepunkt der alljährlichen Veranstaltung. Diesmal brachte die Feier es lediglich auf etwa 50 Mitspieler. In den vergangenen

Jahren war der Tanz um das Feuer wiederholt Anlaß für antifaschistische Mobilisierungen geworden war, ein bundesweit zusammengetrommelter Ordnerdienst mußte den Schutz der Rechtsextremisten übernehmen. Der weitab gelegene Ort an der polnischen Grenze sorgte diesmal dafür, daß die Neogermanen von der Antifa unbehelligt blieben.

Geringes Interesse, sich mit der Hetendorfer Folgeveranstaltung zu beschäftigen, zeigten auch Sicherheitsbehörden und Justiz: Ein für die Veranstaltung am Wochenende ausgesprochenes Verbot wurde von den Gerichten aufgehoben.