Lächerliche Loser

Bei der WM geht der Trend ganz klar zum ergebnisorientierten Fußball. Wer sich nicht daran hält, taugt gerade noch als Witz

Blond zu werden ist für Menschen mit eher dunkler Haarfarbe gar nicht so einfach; es reicht nicht, eine Packung Born Blond auf dem angefeuchteten Haar zu verteilen, das sofort einsetzende Brennen gleichmütig zu ertragen und abzuwarten, denn das Endergebnis ist niemals der erträumte Platinton, sondern, eine dunklere Ausganghaarfarbe als aschblond vorausgesetzt, immer irgendetwas zwischen quietschegelb und grellorange. Und scheußlich. Da hilft nur konsequentes Weiterentfärben, bis alle verbliebenen Rotpigmente tot sind, oder mit silbergrau übertönen.

Die rumänische Nationalmannschaft, die zu ihrem letzten Gruppenspiel in Kollektiv-Gelb-Orange-Blond antrat, hat das offensichtlich nicht gewußt. Die sie hämisch kommentierenden Sportreporter zwar auch nicht, aber das störte sie weniger, obwohl die Mannschaft vollends lächerlich zu machen sich dann doch niemand traute. Denn dazu war sie im bisherigen Turnierverlauf zu erfolgreich gewesen, und Erfolg ist nie lächerlich. Rumänien war aus sportjournalistischer Sicht jedoch ein ästhetisches Problem.

Vorschriftsmäßige Ästhetik nach Auffassung der für den Weltfußball zuständigen Fifa sieht so aus: Bevor ein Spieler eingewechselt werden kann, kontrolliert ein offizieller Beauftragter, ob er auch sein Hemd, wie in den Regeln vorgeschrieben, in der Hose stecken hat, einfach so herunterhängende, weil nicht hochgezogene Kniestrümpfe sind ebenfalls nicht erlaubt. Wie auch der Trikottausch, jedenfalls dann, wenn kein Unterhemd getragen wird - halbnackter Mann ist verboten. Auch beim Jubeln nach dem Führungstreffer: Wer sein Trikot über den Kopf zieht, muß mit einer Geldstrafe rechnen, ebenso derjenige, der das Spielfeld verläßt oder gar über die Werbebande springt.

Denn Fußball soll auch ein ästhetisches Erlebnis sein - beim ZDF, so erklärte man vor einigen Tagen, rufen zunehmend erboste Zuschauer an, die sich über die "ständige Spuckerei der Spieler" aufregen. Den Zuschauer zu verärgern, kann sich niemand leisten, deswegen wird Spucken wohl bald auch auf der Verbotsliste stehen.

Ausdrücklich erlaubt hingegen ist, einen Fußballstil zu spielen, daß es der Sau graust und das dann anschließend auch noch als "taktisch gelungenes Match" zu verkaufen, ohne daß die Interviewer in schallendes Gelächter ausbrechen. Denn Fans, die ein bißchen Rotz nicht ertragen können, sind sehr wohl in der Lage, 90 Minuten "ergebnisorienierten Fußball" zu ertragen, zumindest dann, wenn am Ende gewonnen wird. Für sie und für die Kommentatoren sind der große Witz eher die Mannschaften, die auch zeigen wollen, was sie können, was manchmal daneben geht.

Das ist dann auf jeden Fall unglaublich lächerlich, jedenfalls für alle diejenigen, die nicht verstehen können, daß es manchmal wichtiger ist, ein schönes Spiel zu verlieren als ein grottenschlechtes zu gewinnen. Lächerlich ist hingegen wohl nicht, als wie immer in der leichtesten Gruppe gelandeter deutscher Bundestrainer von der "Todesgruppe" zu sprechen. Lächerlich ist anscheinend auch nicht, daß derselbe Mann beklagte, daß "die kleinen Mannschaften nur hinten drin stehen, nur das Spiel zerstören" - und er immerhin die Mannschaft trainiert, die bislang bestenfalls durch besonders blödes Ballherumgeschiebe aufgefallen ist.

Aber die einzige extrem langweilende Elf, das muß man wohl zugeben, war sie bislang bei dieser WM nicht: Im Achtelfinale gegen Norwegen spielte das italienische Team ab der 18. Minute auf Ballhalten und Spielverzögerung, schließlich war ihm eine Minute zuvor der Führungstreffer gelungen. Das war bestenfalls langweilig, aber dies als lächerlich zu kommentieren, traute sich dann doch niemand.

Denn lächerlich sind für immer bloß die anderen, und ganz besonders die Loser. Die sich über ihr einziges Tor bei dieser Weltmeisterschaft wie über ein gewonnenes Spiel freuenden Japaner etwa, die man als lustige kleine Idioten verkaufen kann oder der weinende kolumbianische Torwart, der vielleicht nicht nur deswegen so erschüttert war, weil sein Team endgültig ausgeschieden war, sondern weil es wieder, in Deutschland allerdings bisher kaum beachtet, Morddrohungen gegen ihn und seine Kollegen gegeben hatte.