Drive-by-Shooting

Der Oranier-Orden versucht, Sportveranstaltungen des gälischen Sportverbandes GAA zu verhindern

Seit 114 Jahren gehören in Irland der erste und dritte Sonntag im September den irischen Sportarten Gaelic Fußball und Hurling. Sie waren Ende des vergangenen Jahrhunderts im Zusammenhang mit der "Gälischen Auferstehungsbewegung" von der Gaelic Athletic Association GAA wiederbelebt worden.

Diese gälischen Sportarten haben eigenständige Regeln: Ein gälisches Fußball-Team besteht z.B. aus 14 Feldspielern plus Torwart. Das darf den Ball zwar mit der Hand spielen, der muß jedoch zuvor mit dem Fuß vom Boden aufgenommen worden sein. Gelingt es, den Ball im Tor der anderen Mannschaft unterzubringen, werden drei Punkte gezählt, geht der Ball über die Querlatte der verlängerten Pfosten, gibt es einen Punkt. Die Regeln darüber, wie man den Gegner behandeln darf, erinnern ein wenig an Rugby.

Im Unterschied zu den kontinentalen Fußballregeln gerät beim gälischen Fußball nur der ins Abseits, der bei der Ausübung sogenannter ungälischer Sportarten wie Fußball, Cricket, Hockey oder Rugby angetroffen wurde: Bis ins Jahr 1972 folgte der sofortige Ausschluß aus dem Verband - den Mitgliedern war es sogar verboten, diesen Sportarten als Zuschauer beizuwohnen. Polizisten, Gefängniswärtern und Soldaten wurde bereits 1888, vier Jahre nach Gründung der GAA, der Eintritt verwehrt. Zwei Jahre benötigte der englische Geheimdienst dann, um einen Agenten auf sämtliche GAA-Veranstaltungen anzusetzen.

Nach einem IRA-Attentat im Jahr 1920, in dem 14 just eingetroffene Geheimdienstler der britischen Armee hingerichtet wurden, kam es zum ersten irischen "bloody sunday". Während des Hurling-Endspiels im gälischen National-Stadion, Croke Park in Dublin, erschossen Soldaten 13 Menschen, darunter Michael Hogan, den Kapitän des Finalisten Tipperary.

Heutzutage dürfen Beamte der nordirischen Polizei - im Gegensatz zu ihren südirischen Kollegen - und britische Soldaten immer noch nicht GAA-Mitglieder werden und sind weiterhin von sämtlichen Veranstaltungen des Verbandes ausgeschlossen. Umgekehrt ist die Anwesenheit von GAA-Mitgliedern bei Veranstaltungen der Polizei und Armee strikt untersagt, eine dreimonatige Suspendierung ist die Strafe. Ein kürzlich gestellter Antrag des Verbandspräsidenten Joe McDonagh, das umstrittene Regelwerk im Zeichen des Belfaster Friedensabkommens zu modifizieren, scheiterte: Acht der neun Grafschaften der nördlichen Provinz Ulster wandten sich vehement gegen die Aufnahme nordirischer Sicherheitskräfte.

Nationalisten begreifen das Verbot als gewaltlosen Protest gegen die Royal Ulster Constabulary (RUC) und die britische Armee. Das Verhalten der Sicherheitskräfte im vergangenen Jahr, als diese die Garvaghy Road in Drumcree für den Oranien-Orden freiprügelten, sowie die anhaltende Besetzung des Klubgeländes der Crossmaglen Rangers nahe der Grenze durch die britische Armee sorgte dafür, daß die vom Verbands-Vorsitzenden geplante Reform fehlschlug. Die notwendige Zweidrittelmehrheit kam nicht zusammen. In einer Kompromißformel verpflichtete sich allerdings die GAA, die Regel zu streichen, sobald die im Belfaster Abkommen versprochenen Polizeireformen vollzogen sind.

Mit der Begründung, daß das Verbot gegen die Europäische Konvention für Menschenrechte verstößt, will nun ein Lokalabgeordneter der Ulster Unionist Party (UUP), Chris McGimpsey, GAA und irische Regierung vor den Europäischen Gerichtshof bringen. "Wir sind der Ansicht, daß die Sicherheitskräfte der britischen Krone diskriminiert werden. Die GAA wird von der Regierung der irischen Republik finanziell unterstützt, und muß sich deshalb auch dem Europäischen Gericht stellen."

McGimpsey sieht auch eine politische Dimension: "Der Grund für die Gerichtsklage ist nicht nur, daß Polizisten und Soldaten gälische Sportarten nicht treiben dürfen, sondern auch, daß ein System der kulturellen Apartheid in Nordirland etabliert wird." Gälische Sportvereine sollen folgerichtig zukünftig boykottiert werden. Firmen wie z.B. Guinness werden ermahnt, nicht länger als Sponsor in Erscheinung zu treten. Der Oranier-Orden forderte seine Mitglieder auf, als Teil des Protestes gegen das diesjährige Garvaghy Road-Marschverbot, die gälischen Sportvereine als Ziel zu betrachten.

Schon länger befindet sich ein Verein aus einem katholischen Viertel im Norden Belfasts, die Ardoyne Kickhams, im Visier loyalistischer Gruppen: In den vergangenen dreißig Jahren wurden über zwanzig Vereinsmitglieder, unter ihnen zwei Vorsitzende, ermordet. Vor fünf Jahren wurden zwei Spieler Opfer eines AK 47-Drive-by-Shooting: Die Polizei hat den Tatort nie untersucht.