Wahl-Party in Lichtenhagen

Die NPD wirbt in Mecklenburg-Vorpommern mit ihrer Nähe zum Terrorismus und läßt Manfred Roeder als Kandidaten antreten

Wenn Bundesumweltministerin Angela Merkel am 27. September versucht, ihr Direktmandat für den Bundestag zu verteidigen, dann steht sie im Wahlkreis Stralsund / Rügen einem ganz besonderen Kontrahenten gegenüber. Für die NPD tritt dort im Norden Mecklenburg-Vorpommerns der heute 69jährige Naziterrorist Manfred Roeder als parteiloser Kandidat an.

Roeder, der heute noch stolz ist, im Dritten Reich in einer "Nationalpolitischen Erziehungsanstalt" erzogen worden zu sein und als 16jähriger am Kampf um die Reichshauptstadt teilgenommen zu haben, blieb auch in der Bundesrepublik als Rechtsanwalt seiner Gesinnung treu. Er gründete die neonazistische Deutsche Bürgerinitiative, nahm in den siebziger Jahren wiederholt an Treffen der illegalen NSDAP teil, organisierte Aufmärsche zu Ehren von Rudolf Heß und schrieb das Vorwort für Thies Christophersens Pamphlet "Die Auschwitzlüge".

Als Roeders eigene Organisation, die Deutsche Aktionsgruppe, 1980 sieben Brand- und Sprengstoffanschläge auf Ausländerunterkünfte, eine jüdische Schule und eine Ausstellung über das KZ Auschwitz verübte, die zwei Vietnamesen das Leben kosteten, wurde der Rechtsterrorist 1982 zu 13 Jahren Haft verurteilt. 1990 entließ man ihn vorzeitig.

War es zeitweise still um ihn geworden, so geriet Roeder im vergangenen Jahr wieder ins Licht der Öffentlichkeit, als bekannt wurde, daß er 1995 an der Führungsakademie der Bundeswehr einen Vortrag halten konnte, ohne daß die zuständigen militärischen Stellen seinen Auftritt verhinderten.

Dieser Skandal machte Roeder auch für die NPD interessant. Sie schickte den verurteilten Bombenleger ins Rennen, sei es als Redner auf ihrem Bundesparteitag im Januar 1998 in Stavenhagen, sei es bei der NPD-Großkundgebung in Passau im Februar oder jetzt als Direktkandidaten für den Bundestag - immer in der Hoffnung, von der Publicity des Altnazis profitieren zu können, wie der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Stralsund, Axel Möller, auch unumwunden zugibt.

Publicity hat die Neonazi-Partei auch nötig, wenn sie im Wahlkampf mit ihren bescheidenen Mitteln gegen den millionenschweren DVU-Eigentümer Gerhard Frey ankommen will. Gerade mal 107 000 Mark haben die Nationaldemokraten für den Wahlkampf im Herbst aufbringen können. So sollen denn spektakuläre, medienwirksame Aktionen den Mangel an finanziellen Mitteln ausgleichen.

Chancen rechnet sich die Partei vor allem bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern aus. Im Nordosten der Republik hat sie daher den "Schwerpunktwahlkampf" ausgerufen. Die Neonazis werfen dort nicht nur doppelt so viel Propagandamaterial in die Schlacht wie in den anderen Bundesländern, dem nur etwa 170 Mitglieder starken Landesverband soll auch durch tatkräftige personelle Unterstützung zum Erfolg verholfen werden.

Während die Frey-Partei auf ihre Konten und die Propaganda-Maschinerie setzt, muß die Konkurrenz von der NPD vor allem mit personeller Präsenz auf der Straße Stimmen fangen. In den Wochen bis zur Wahl sind deswegen zahlreiche Veranstaltungen und Aufmärsche geplant. Die Partei brüstet sich damit, daß alleine am vergangenen Wochenende fünf Wahlkampfveranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden haben. In Neustrelitz sollen nach einem Aufmarsch am 1. August die ganze folgende Woche über Veranstaltungen stattfinden.

Den Abschluß ihres "Schwerpunktwahlkampfes" will die NPD am 19. September mit einem Aufmarsch und einer Großkundgebung in Rostock-Lichtenhagen begehen. Optimistisch kündigt die NPD jetzt schon 5 000 Teilnehmer an. Die Wahl-Strategen in der Stuttgarter Parteizentrale versprechen sich von der Auswahl des Ortes für die Abschlußkundgebung eine besondere Aufmerksamkeit der Medien: Der Zapfenstreich soll vor dem "Sonnenblumenhaus" stattfinden, das im Herbst 1992 Ziel des Rostocker Pogroms gegen ImmigrantInnen war.

Bei so viel Optimismus kann die Partei auch der Verlust eines ihrer umtriebigsten Wahlkämpfer nicht treffen: Der bundesweit für die NPD-Werbemittel verantwortliche Berliner Neonazi Frank Schwerdt sitzt wegen der Verbreitung von NS-Propagandamaterial im Gefängnis. Nachdem die zweite Revision des Neonazis vom Bundesgerichtshof abgelehnt worden ist, muß Schwerdt seine neunmonatige Haftstrafe nun absitzen. Die ersten zwei Wochen davon durfte er noch im Offenen Vollzug verbringen, am 7. Juli jedoch wurde er in die Haftanstalt Berlin-Tegel verlegt, in den Geschlossenen Vollzug.

Gegen den NPD-Wahlkämpfer sollen neue Erkenntnisse über weitere Vergehen vorliegen.