Fanny Müller

Freier Tag

Dienstag hatte ich frei genommen - Überstundenausgleich - da wollte ich mal die Bügelwäsche in Angriff nehmen und dabei die Kassetten abhören, die ich von den letzten "Fragen Sie Dr. Marcus"-Sendungen aufgenommen habe. Außerdem sollten morgens die Beauftragten des Hauswirts kommen, um die Taubenfallen auf den Fenstersimsen anzubringen, weil die Tauben alles vollscheißen

Im letzten Sommer, als ein Fenster auf dem Dachboden kaputtgegangen war, hatten die wirklich alles zugekackt, sogar die Unterseiten der Stangen auf dem alten Wäscheständer. Dabei müssen sie kopfgestanden haben. Am Montagabend klingelt Martina bei mir: "Ich muß morgen um neun zum Gericht , kannst du vielleicht meinen Schlüssel ..." Kein Problem. Das Telefon läutet: "Hier ist Gila, ich habe meinen Schlüssel in deinen Briefkasten getan, ich muß zu meiner Mutter ..." Alles klar, Mütter und Gerichte gehen vor Handwerkern. Den Schlüssel von Antje habe ich sowieso, die ist gestern nach San Franzisko abgedüst. Jetzt wird es aber langsam ein bißchen viel. Die Handwerker wurden für halb zehn angekündigt, was außergewöhnlich ist, denn normal kommen die ja grinsend um sieben, das macht das Handwerkerleben so amüsant, jedenfalls für sie

Um halb acht am Dienstag klingelt es. Das ist ja wohl die Höhe. Ist es aber nicht, sondern der Bademeister mit zwei Reisetaschen unterm Arm und seinem Schlüssel in der Hand: "Könnten Sie wohl mal ..." Er habe einen Flug für 159 Mark nach Malaga "in der Morgenpost gelesen" und gleich zugeschlagen. Ich kann schlecht ablehnen, schließlich leiht er mir andauernd seine Trittleiter und die Bohrmaschine und das Teppichmesser und all die anderen Sachen

Um 12 kommen die Handwerker. Die kenne ich schon, die sind nämlich beim Hauswirt angestellt und machen alles. Die Elektrogeschichten, den Flur anstreichen, Fliesen legen ... der ältere ist der mit der erloschenen Zigarre im Mundwinkel und der jüngere ist Südländer, der nur "Guten Tag" und Marlboro sagen kann. Die Fliesenlegerei können sie aber beide gleich schlecht, das weiß ich ganz genau. Taubenfallen sind aber leichter

Um vier Uhr sind sie, penibel von mir überwacht und inklusive Kaffeepause, mit "meinen" fünf Wohnungen durch und gehen rauf zu Mira, die die Schlüssel vom Rest des Hauses bekommen hat. Um halb sechs klingelt Antje bei mir. "Was, du bist schon zurück aus Amerika?" Sie hat aber bloß ihre Eltern in Friedrichskoog besucht, was in der dortigen Mundart "Frisko" heißt. Sie hat in den Kirschbäumen die Dinger aufgehängt, die die Stare vertreiben sollen. Mit sowas hätte ich auch lieber meine Überstunden ausgeglichen.