AA/BO-Vertreter antworten auf die allerbrennendsten Fragen der Bewegung

Außer Spesen nix gewesen

Beim Sommercamp der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) Anfang Juli auf der Jugendburg Ludwigstein wurde in einem Referat der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen eine Wende der AA/BO-Politik gefordert. Die Antifa (M) gilt als Begründerin und Kopf der AA/BO.

Ihr wollt eine Neuorientierung der Antifa-Politik. Was soll sich ändern?

Wir haben bemerkt, daß im letzten Jahr, in dem sich die AA/BO um eine Öffnung bemüht hat, das Interesse von antifaschistischen Gruppen an unserer Struktur zugenommen hat. Wir müssen überlegen, welche Möglichkeiten wir Gruppen, die nicht in der AA/BO organisiert sind, bieten, mitzuarbeiten. Die Kriterien, die die BO Anfang der neunziger Jahre aufgestellt hat, scheinen für manche zu hoch zu sein. Die AA/BO war nie eine geschlossene Organisation - nur hat sie das in der Vergangenheit vielleicht zu wenig deutlich gemacht.

Was heißt das praktisch?

Wir müssen darüber diskutieren, wie man mehr Leute an Entscheidungen beteiligen kann.

Steht hinter Eurem Vorstoß nicht die Tatsache, daß die AA/BO seit Jahren stagniert?

Wenn Du die BO an der Anzahl ihrer Mitglieder messen willst, stagniert sie seit ihrem Bestehen. Sie ist nie über 15 bis 20 Gruppen hinausgekommen. Aber wenn du dir die Konzeption anschaust, mußt Du das anders bewerten. Ich will mal drei Stichpunkte nennen: Öffentlichkeitsarbeit, Bündnisarbeit und Organisierung. Es gibt nun mal keine autonome Bewegung mehr wie in den Achtzigern, die von selbst Dynamik entwickelt. Der Impuls, den wir Anfang der Neunziger gegeben haben, war zeitgemäß. Die Notwendigkeit der Organisierung steht außer Frage, zukünftig wird es um das Wie gehen.

Wenn Ihr von Konzeptionen sprecht, scheint Ihr also nicht unbedingt politisch-inhaltliche, sondern eher taktische Konzeptionen zu meinen.

Für die meisten Gruppen ist das Sammeln verschiedener Antifa-Ansätze vorrangig. Es geht darum, alles was sich links verortet, punktuell zusammenzubringen.

Ist also antifaschistischer Kampf für Euch nur etwas Reaktives?

Die BO ist angetreten mit dem Anspruch eines revolutionären Antifaschismus. Daß die Wurzeln des Faschismus im Kapitalismus liegen, ist Grundkonsens.

Das scheint mir eine recht simple Faschismusanalyse. Negiert Ihr damit nicht zum Beispiel, daß Rassismus und Sexismus eigenständige Unterdrückungsverhältnisse sind?

Die Wurzeln des Faschismus liegen im Kapitalismus, nicht im Kapital. Die BO hat keine einheitliche Faschismusanalyse. Daß Rassismus und Sexismus eigenständige Unterdrückungsverhältnisse sind, bestreitet niemand.

Wo fließt denn diese Erkenntnis in Euren politischen Ansatz ein? Wenn der ein revolutionärer sein soll, muß er sich ja wohl gegen sämtliche Unterdrückungsverhältnisse richten.

Vom Anspruch her hast Du recht. Aber in der Praxis ist das schwieriger. Außer teilweise in der Frauenbewegung ist es ja wohl niemandem so recht gelungen, eine antisexistische Praxis zu entwerfen. Du beschränkst dich meist darauf zu schauen, daß du in der eigenen Organisation möglichst fortschrittliche Strukturen hast.

Vielleicht fehlt ja doch ein wenig die Einsicht in bestimmte Herrschaftsmechanismen? Nicht wenige BO-Gruppen treten in der Öffentlichkeit und bei Aktionen martialisch und mackermäßig auf. Das transportiert nicht gerade Vorstellungen von einer anderen Gesellschaft.

Ich bestreite, daß sich Mackerverhalten auf die BO beschränkt oder speziell an ihr festmachen läßt. Das betrifft die gesamte Bewegung. Fortschritte sind nur über Strukturen möglich, und wir haben fortschrittliche Strukturen in der BO, etwa quotierte Redelisten und ähnliches.

Du hast ja schon angesprochen, daß es verschiedene Politikansätze in der BO gibt. Von außen wirken die Gruppen in der Tat sehr heterogen. Da gibt es antinationale Ansätze - ich denke da an die Demo in Dolgenbrodt -, genauso wie Gruppen, die einen orthodoxen Kommunismus pflegen. Was verbindet Euch?

Es gibt keine antinationalen Gruppen in der BO. Dolgenbrodt war der Versuch, sich dem Thema Antirassismus anzunähern, aber antinational war das nicht. Konsens ist in der BO, daß Fragen zur Praxis im Vordergrund stehen. Das muß vorerst leider reichen. Auch wenn es zur Folge hat, daß bestimmte Vorwürfe, wie Du sie formuliert hast, gleich auf die ganze BO gestülpt werden.

Auf dem AA/BO-Camp gab es einen Abschlußvortrag eines Mitglieds der Kommunistischen Plattform der PDS. Die Sprecherin dieser Gruppe, Ellen Brombacher, hat in der vorletzten Woche im Neuen Deutschland eine Debattenseite mit dem Faschisten Roland Wehl zum Thema "Die Linke und die Nation" bestritten. Wie nahe stehen die KPF-Positionen der BO?

Wir haben zum Beispiel bei den Luxemburg-Liebknecht-Demos in Berlin mit der KPF als Bündnispartner zu tun. Gerade Ellen Brombacher hat sich als sehr konstruktive Person zur Gestaltung von Bündnispolitik herausgestellt. Ich habe ihren ND-Artikel noch nicht gesehen, aber ich habe Angela Marquardts Beitrag in der Jungle World gelesen und kann ihr nur beipflichten, daß man mit ausgewiesenen Faschisten keinen Dialog eingehen darf.

Angesichts der besonderen Entwicklung im Osten Deutschlands: Ist die BO nicht strategisch in einer Sackgasse? Mit einzelnen Großdemos wie Wurzen und Saalfeld scheint die rechte Hegemonie auf den Straßen nicht zu brechen zu sein.

Die gesamte Linke ist seit dem Zusammenbruch des Realsozialismus in einer Defensive. Die Gegenmobilisierungen reichen natürlich nicht aus, da hast Du recht. Aber es ist eine Möglichkeit, etwas zu tun. Ziel sollte es sein, Leute vor Ort einzubinden und, wenn es linke Strukturen gibt, sie zu stärken.

Habt Ihr Euch denn mit der speziellen Lage im Osten auseinandergesetzt?

Ja, wir haben diskutiert, ob man eine Kampagne gegen Nazis auf rechte Subkultur ausdehnen sollte, und wie man dagegen vorgehen kann. Als AA/BO sehen wir aber kaum Möglichkeiten, weil wir nicht die nötigen Mittel haben, eine linke Subkultur zu stärken. Das können nur Gruppen vor Ort machen. Alleine kommen wir hier nicht weiter. Wir müssen mit Kräften auch jenseits des autonomen Spektrums zusammenarbeiten.

Welchen?

Mit Basisgewerkschaftern, einigen PDSlern. Mit denen muß man sich zusammentun und versuchen, in den Orten dagegenzuhalten. Ansonsten können wir den Antifa-Gruppen nur raten, sich organisatorisch zu festigen, um handlungsfähig zu sein.

Ostdeutsche Antifa-Gruppen kritisieren, daß die BO häufig recht vereinnahmend auftritt. Außerdem haben sie auf Euer Organisationsmodell offenbar keine Lust. Es gibt schließlich keine einzige BO-Gruppe in Ostdeutschand.

Seit der Saalfeld-Demo, die hauptsächlich von BO-Gruppen getragen wurde, und wo wir uns sehr zurückhaltend verhalten haben, sind die Vorwürfe der Vereinnahmung zurückgegangen. BO-Politik setzt stark auf Bündnisarbeit, dafür bedarf es aber eines linksradikalen Umfelds, und das ist im Osten sehr dünn.

Vielleicht kommt Eure nostalgische Anlehnung an den Rotfrontkämpferbund und der Arbeitermobilisierung, die ja zum Beispiel von der Gruppe Kunst und Kampf (KuK) geradezu sentimental gepflegt wird, im Osten nicht gerade als Ausdruck einer fortschrittlichen, antiautoritären Politik an?

Diese Kritik geht an der Realität völlig vorbei. Wir sind eben keine kommunistische Partei. Es gibt vielleicht eine Problematik der Symbolik. Schon das Antifa-Logo steht für Leute, die im Osten groß geworden sind, für etwas anderes als im Westen. Ansonsten hat weder die organisatorische Form der BO noch ihr Auftreten bei Demonstrationen mit KP-Nostalgie zu tun.

In den letzten Jahren sind von der AA/BO keine Impulse mehr für eine Diskussion von Antifa-Strategien ausgegangen ...

Wenn in der letzten Zeit noch Impulse ausgegangen sind, dann von BO-Gruppen. Sei es Dolgenbrodt oder die Einbeziehung der LL-Demo. Du hast insofern recht, als daß die Impulse in der Gründungsphase der AA/BO am stärksten waren. Das hat damit zu tun, daß es da viele Tabubrüche gab, etwa die Sache mit der Medienarbeit und der Organisierung.

Eine Antwort auf den breiten rassistischen Konsens in der Bevölkerung habt Ihr nicht?

Es liegt nicht im Einflußbereich einer so kleinen Antifa-Organisation wie der AA/BO, da gesellschaftlich gegenhalten zu können. Voraussetzung für gesellschaftlichen Einfluß ist, daß man aus der Isolation herauskommt. Wenn du nicht wahrgenommen wirst, kannst du ewig vor dich hinreden, das hört keiner.

Wie geht es weiter mit der Antifa-Bewegung?

Wenn wir es nicht schaffen, aus dieser Totalitarismus-Schiene rauszukommen, dann wird Rechts und Links in ein paar Jahren gesellschaftlich gleichgesetzt werden. Das wäre der Tod der Bewegung. Es hat auch keine Perspektive, sich nur auf Anti-Nazi-Politik zu konzentrieren. Als Antifa muß man sich als Teil der Linken begreifen und dafür sorgen, daß die Linke wieder auf die Füße kommt, praktisch und theoretisch. Wobei die Stärken der AA/BO in der Praxis liegen.