Frühsport für Hitlers Vize

Hess-Todestag: Dänischen und deutschen Neonazis gelangen nur ganz kleine Aufmärsche zu unmöglichen Tageszeiten

Nur rund hundert Neonazis liefen am vergangenen Samstag in den frühen Morgenstunden durch die dänische Kleinstadt Greve bei Kopenhagen, um ihre Parole durch die menschenleeren Straßen zu rufen: "Rudolf Hess - das war Mord". Zum Gedenken an den 11. Todestag des Hitler-Stellvertreters hatte die Dänische Nationalsozialistische Bewegung (DNSB) ihre skandinavischen, niederländischen, belgischen und deutschen Kameraden zum Aufmarsch eingeladen. Urspünglich wollten die Neonazis vor die deutsche Botschaft in Kopenhagen ziehen. Dies verboten die dänischen Behörden jedoch.

Bereits 1995 hatten Neonazis aus verschiedenen Ländern Dänemark als Aufmarschort auserkoren. Grund: Die dänische Gesetzgebung erlaubt öffentliches Auftreten mit Hakenkreuzfahnen und SS-ähnlichen-Uniformen. "Nur der Aufruf zum Rassenhaß ist verboten", betonte die DNSB damals in ihrer Einladung. Allerdings kam es zu heftigen Ausschreitungen, als AnwohnerInnen zusammen mit GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen die Neonazis förmlich aus der Stadt jagten. Zwei Jahre später gelang es den Neonazis jedoch, unter Führung des selbsternannten "Chairman der nordischen nationalsozialistischen Bewegung", dem DNSB-Vorsitzenden Jonni Hansen, in der Kleinstadt Koge mit Hakenkreuzfahnen zu marschieren. Die GegendemonstrantInnen wurden von der Polizei festgehalten.

Dieses Jahr sorgte die Ankündigung des Gedenkmarsches schon im Vorfeld für eine heftige öffentliche Diskussion in Dänemark. Simon Wiesenthal, Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, forderte die dänische Regierung auf, die Neonazikundgebung zu verbieten. Bernt Lexner, Oberrabbiner der jüdischen Gemeinde von Kopenhagen, rief außerdem erstmals seit 1945 alle Mitglieder seiner Gemeinde zu einer Demonstration zusammen mit liberalen Kräften gegen Neonazis im Zentrum von Kopenhagen auf. An die tausend Menschen folgten am Samstag diesem Aufruf.

Zu einer zweiten Demonstration direkt nach Greve, wo die DNSB ihre Parteizentrale hat, mobilisierten antirassistische und linke Organisationen. Hier wollten sich die Neonazis um zwölf Uhr sammeln. Um sowohl der öffentlichen Stimmung gerecht zu werden als auch dem Demonstrationsrecht der Neonazis Genüge zu tun, ließ die Polizei die DNSB und ihre Gäste dann jedoch völlig überraschend um halb acht Uhr morgens eine kleine Runde durch Greve drehen. PressevertreterInnen durften nicht vor Ort, es sollten keine Bilder von wehenden Hakenkreuzfahnen durch die Medien gehen. Gegen halb neun war der Rundgang beendet und die Neonazis kehrten in die mit Natodraht geschützte Parteizentrale, die sie liebevoll "SA-Haus" nennen, zurück.

Begleitet von rund 1500 Einsatzkräften, erreichten nach umfangreichen Vorkontrollen rund 1000 von der frühen Nazi-Demonstration überraschte AntifaschistInnen Greve gegen halb zwölf. Bei der Antifa-Demo, 100 Meter von der Parteizentrale entfernt, setzte die Polizei nach kurzer Zeit Tränengasgranaten ein, um Auseinandersetzungen mit Neonazis zu verhindern. Die Polizei nahm im Laufe des Tages 33 AntifaschistInnen fest, unter ihnen 18 Deutsche, die nach 16 Stunden Polizeigewahrsam ausgewiesen wurden. Schon zuvor hatten BGS-Beamte an der deutsch-dänischen Grenze etwa 50 AntifaschistInnen die Ausreise aus Deutschland verweigert.

Unter den hundert TeilnehmerInnen des Neonaziaufmarschs befanden sich an die 40 Neonazis aus dem norddeutschen Raum. Bis Freitagnachmittag empfahlen mehrere Nationale Infotelefone einen "Ausflug nach Dänemark". Erst als sich ein Verbot abzeichnete, riefen die Neonazis auch zu Aufmärschen in Deutschland auf.

Am Freitagabend verbot die Polizei in Lüneburg eine angekündigte Nazi-Demo. In der Nacht auf Samstag marschierten etwa 50 Neonazis mit Transparenten durch Zielitz bei Magdeburg. In Zittau wurde von Rechten ein Flüchtlingsheim überfallen, in Weimar ein Zeltplatz. 250 Freie Nationalisten folgten der Empfehlung des Nationalen Infotelefons Rheinland ins Sauerland. Sie wurden jedoch von der Polizei in Brilon und Minden gestoppt. Auch in Hameln und Goslar verhinderte die Polizei kleinere Aufmarschversuche von Neonazis.