Mehmet bleibt bis zur Wies'n

Münchens oberste Verwaltungsrichter entschieden, daß der Jugendliche vorerst nicht abgeschoben wird

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Notbremse gezogen: Sein 10. Senat nahm vergangene Woche die Beschwerde gegen die Ausweisung von Mulis A. alias "Mehmet" an. Der 14jährige türkische Staatsbürger, dem 62 Straftaten vorgeworfen werden, darf also vorerst in Deutschland bleiben. Auch seine Eltern, die seit 30 Jahren in Bayern leben, ohne jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten zu sein, dürfen erst einmal nicht abgeschoben werden.

Wie berichtet, hatte das Münchner Verwaltungsgericht Ende Juli, wohl auf Druck der CSU, die Abschiebung des in Deutschland geborenen Jugendlichen genehmigt. Selbst gegen die Ausweisung der Eltern hatte die Erste Instanz keine Bedenken. Mehmets Anwalt Alexander Eberth legte daraufhin Beschwerde ein. Diese wurde vom Verwaltungsgerichtshof nun angenommen, "weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen und weil die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist".

Weil die endgültige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes höchstwahrscheinlich erst in der Oktoberfestzeit nach den bayerischen Landtagswahlen am 13. September fallen wird, können vorerst alle zufrieden sein: Zunächst einmal natürlich Mehmet, der zur Zeit wegen des Verdachts auf Raub und schwere Körperverletzung im Münchner Gefängnis Stadelheim sitzt. Dann seine Eltern, die ebenfalls eine Verschnaufpause erhalten haben. Aber auch die CSU und ihre Scharfmacher - an vorderster Front der Bundestagsbewerber und Oberbürgermeisterkandidat in spe Hans-Peter Uhl, der als Münchner Kreisverwaltungsreferent den "Fall Mehmet" selbst ins Rollen gebracht hatte und ihn in der Folge medienwirksam aufbauschte: Sie haben weiterhin ausreichend Munition für noch mehr ausländerfeindliche Wahlkampfhetze und können zudem auf das Urteil der gehorsamen Richter vom Münchner Verwaltungsgericht verweisen.

Freuen darf sich aber auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Der Sozialdemokrat hatte in den vergangenen Wochen immer mal wieder den Standpunkt gewechselt, stets hin und her gerissen zwischen Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und Anbiederung an Volkes Stimme, welche in zahllosen Leserbriefen an die Münchner Lokalpresse lautstark die Ausweisung des volksfremden "Früchtchens" forderte. Einen wahren "Eiertanz" habe Ude in Sachen Mehmet aufgeführt, konstatierte der Bayernkurier, und da ist dem CSU-Organ rundweg zuzustimmen.

Der SPD-Mann entschied sich schließlich für die Partei der Leserbriefschreiber: Nachdem er es von Anfang an schon unterlassen hatte, als oberster Chef der Ausländerbehörde das Ausweisungsverfahren zu beeinflussen, plädierte er nun offen für Mehmets Abschiebung. Weil an diesem Bekenntnis jedoch fast das rot-grüne Rathausbündnis zerbrochen wäre - der Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, Siegfried Benker, drohte gar mit einem Gegenkandidaten bei den nächsten Oberbürgermeisterwahlen -, setzte Ude zuletzt darauf, gar nicht mehr Stellung zu beziehen. Nun, so Ude, müßten die Gerichte entscheiden. Der Fall Mehmet dürfe nicht länger "von rechts und links instrumentalisiert" werden.

Diese Haltung hielt Ude und das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) unter seinem neuen parteilosen Chef Wilfried Blume-Beyerle allerdings nicht davon ab, auf anderer Ebene Mehmets Ausweisung voranzutreiben: Seit dem 21. Juli ist die Aufenthaltserlaubnis des 14jährigen abgelaufen. Den Antrag auf Verlängerung lehnte das KVR ab, und auch ein Widerspruch, den Anwalt Eberth vergangene Woche einlegte, wurde von der Regierung von Oberbayern zurückgewiesen. Allein dieser Umstand könnte für die Ausweisung des 14jährigen genügen.

Während Ude einerseits die Verantwortung den Gerichten zuschiebt, schafft er andererseits die Voraussetzungen für einen gerichtlichen Abschiebungsbescheid. Angesichts von Udes Vorgehen zog Grünen-Fraktionschef Benker das Fazit: "Bei der Sicherheit prügeln sich CSU und SPD um die Rolle des Terminators."