Polizisten als Erzieher

Der 14jährige Kai wird in der Berliner S-Bahn von Bahnpolizisten kontrolliert: Keine Fahrkarte. Ein Funkruf an die Einsatzzentrale genügt, um herauszufinden, daß Kai kein unbeschriebenes Blatt ist: Schon einmal wurde er beim Schwarzfahren erwischt, in Neukölln ertappte man ihn, als er mit einem Filzschreiber die Wand eines Aufzuges bemalte, und letzten Sommer hat er versucht, über den Zaun des Prinzenbades zu klettern. Um einem weiteren Verfahren zu entgehen, schlagen die Grenzschützer vor, könne er gleich jetzt und hier den Bahnsteig reinigen, Mülleimer ausleeren und bei der Montage eines Hinweisschildes zur Hand gehen. Mit sechs Arbeitsstunden sei seine Schuld abgegolten. Wenn er sich weigere, dann sehe man sich eben vor Gericht wieder.

Dergleichen wird in der Hauptstadt schon bald Wirklichkeit sein, wenn ein Entwurf von Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) umgesetzt wird. Über jugendliche Straftäter soll dann nicht mehr grundsätzlich die Justiz urteilen, sondern - wenn die Täter zwischen 14 und 21 sind, nicht zum ersten Mal erwischt werden und es sich um einen Kleindelikt handelt - die Polizei. Die Beamten können "erzieherische Maßnahmen" in Form von Entschuldigungen gegenüber den Geschädigten oder Arbeitsleistungen verhängen. Davon erhofft sich Körting nicht nur eine Abkürzung des Verfahrens. Vielmehr sollen die Jugendlichen, so ein Sprecher der Justizverwaltung, "unmittelbar mit den Folgen ihrer Taten konfrontiert werden".