Wie Pech und Schwefel

Kanzleramtsminister Schmidbauer und sein Geheimagent Mauss mischen Kolumbien auf

Ihre erste Seite war der kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo am 22. Juli ein Vorschlag des deutschen Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer wert: Inhaftierte Guerillaführer, meinte der deutsche Staatsminister im Kanzleramt, könnten im Austausch gegen von Rebellen entführte Geiseln amnestiert werden. Er persönlich sei bereit, an Gesprächen mit den Führern der Farc-Guerilla teilzunehmen, und er könne auch dafür sorgen, daß europäische Geldmittel zur finanziellen Unterstützung des kolumbianischen Friedensprozesses bereitgestellt würden.

Was hat ein deutscher Geheimdienstkoordinator in der kolumbianischen Innenpolitik zu suchen? Schmidbauers eigentlicher Aufgabenbereich, die gegenseitige Abstimmung der drei bundesrepublikanischen Geheimdienste (Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst), dürfte ihn kaum in tropische Breitengrade verschlagen. Das scheint aber weder den Minister noch das Auswärtige Amt zu interessieren: Gemeinsam mit dem von ihm offenbar gedeckten Privatagenten Werner Mauss betreibt Schmidbauer seit einigen Jahren eine Kolumbien-Politik jenseits der offiziellen Kanäle. Kolumbien ist nicht nur eines der rohstoffreichsten Länder Lateinamerikas, es grenzt außerdem sowohl an den Atlantik als auch an den Pazifischen Ozean und bietet damit eine hervorragende strategische Ausgangslage. Das Land steht bei den deutschen Direktinvestitionen nach Lateinamerika an vierter Stelle.

Schon bei der Vermittlung in Entführungsfällen mit der islamistischen Hisbollah hat Bernd Schmidbauer für die deutsche Diplomatie ungewöhnliche Wege beschritten, und nun versucht er offensichtlich, im deutschen Interesse auch den traditionellen Hinterhof der USA aufzumischen. Im Auftrag des Mannesmann-Konzerns vermittelte Schmidbauers Duzfreund Mauss Mitte der achtziger Jahre mehrere Schutzgeldzahlungen an die ELN-Guerilla, die damals Bombenanschläge auf im Bau befindliche Erdölpipelines verübte und Ingenieure als Geiseln nahm.

Mauss und seine Ehefrau Ida knüpften beste Kontakte zu den Guerilleros und sicherten sich einen Platz in der lukrativen kolumbianischen Entführungsbranche. Auch die Bundesregierung, namentlich Kanzleramtsminister Schmidbauer, griff in Entführungsfällen mehrfach auf die Beziehungen des Privatagenten zurück, der seit den sechziger Jahren für bundesdeutsche Polizeibehörden arbeitete.

In einem ganzseitigen Interview mit der Tageszeitung Die Welt plauderte sich Mauss vor wenigen Wochen seine Lebensgeschichte von der Seele. Der Privatagent, der für die Verhaftung von RAF-Mitglied Rolf Pohle in Athen im Jahre 1976 verantwortlich zeichnet und in die Affäre um das sogenannte Celler Loch verstrickt ist, durfte sich ungestört als Ritter ohne Furcht und Tadel präsentieren, der seine Arbeit "nie mit Gewalt" getan und Einsatzprämien an verletzte Polizisten verschenkt habe. In Kolumbien sei er gar zum Weltverbesserer mutiert: "Wir müssen nach 30 Jahren Bürgerkrieg Frieden stiften" und "Man muß die Armut bekämpfen, nicht die Guerilla", wollen er und seine Frau beschlossen haben, als sie 1984 erstmals das lateinamerikanische Land bereisten. Die Lösegeldvermittlungen zwischen Mannesmann und der ELN geraten in Mauss' Erzählung zu einem "karitativen Feldzug entlang der Rohrleitung".

Als 1995 der in Kolumbien tätige Ingenieur Leo Ruttnik entführt wurde, trat natürlich Werner Mauss auf den Plan - doch diesmal blieb es nicht bei Lösegeldvermittlungen: Der Privatagent arrangierte eine politische Unterredung zwischen Staatsminister Schmidbauer und Guerillaführern der ELN. Die hatten ihre sozialistische Rhetorik längst abgelegt und waren stolz auf ihre Kontakte ins Bonner Machtzentrum, während die deutsche Regierung sich ihrerseits gefreut haben dürfte, in Zentralamerika einen Fuß in der Tür zu bekommen. Die Verhandlungsführer einigten sich - man höre und staune - auf die Freilassung der Geisel im Gegenzug für ein politisches Engagement der Bundesregierung zugunsten der Guerilla. Die ELN übergab Schmidbauer und Vertretern der Konrad-Adenauer-Stiftung eine politische Petition und vereinbarte einen Gegenbesuch des Ehepaars Mauss in einem kolumbianischen Rebellenlager - ausgestattet mit einem diplomatischen Schutzbrief der Bundesregierung.

Fortan bemühte sich Mauss, die Fäden zur Regierung Ernesto Samper zu knüpfen. Mit Hilfe seines weitgespannten kolumbianischen Beziehungsnetzes fischte er einen ehemaligen Konsul auf, der im Mai 1996 ins Bundeskanzleramt geladen wurde, um mit Schmidbauer und Mauss über die Modalitäten etwaiger Friedensgespräche zu diskutieren. Man projektierte einen Runden Tisch, an den sich nicht nur die Guerilleros, sondern auch die mächtigen Drogenbosse setzen sollten, die die Regierung hinter die vergoldeten Gitter komfortabler kolumbianischer Gefängnislandhäuser zu bringen gedachte. Genau das mußte jedoch die USA auf den Plan rufen, die die narcotraficos in US-amerikanischen Knästen wissen möchten und Präsident Samper unter Sperrfeuer genommen hatten, dessen Wahlkampfkasse mutmaßlich mit Drogengeldern aufgestockt worden war.

Am 12. Juni 1996 telefonierte Helmut Kohl persönlich mit US-Präsident Bill Clinton, um ein gutes Wort für Samper einzulegen und so den deutsch vermittelten "Friedensprozeß" gegen US-amerikanische Querschüsse zu schützen. Samper fiel ein Stein vom Herzen: Gleich am nächsten Tag sprach er Kohl brieflich seinen "aufrichtigen Dank" für die "von Ihnen mit Präsident Clinton geführten Gespräche" und seine Hilfe "bei der Lösung der genannten Probleme" aus. Als Kohls Bemühungen publik wurden, ließen sowohl die deutsche als auch die amerikanische Seite dementieren, daß jenes Telefonat überhaupt stattgefunden habe.

Die Verhandlungen wurden zunächst auf höchster Ebene fortgeführt, doch am 17. November 1996 erloschen die Friedenspfeifen: Werner Mauss wurde in Kolumbien verhaftet. Zur Last legte man ihm seine Kooperation mit der Guerilla, die der kolumbianischen Regierung während der Gespräche mit der ELN wohlweislich verschwiegen worden war. Im Entführungsfall Ruttnik, beteuerte Mauss später gegenüber der Welt, habe er "statt Geld den politischen Schlüssel" gefunden und "die Rebellen zu Sondierungsgesprächen durch Europa" geschleust. "Anschließend waren alle Politiker sich einig: Die ELN will Frieden." Schmidbauer und die deutsche Regierung tauchen in dieser Geschichte lediglich als die Erfüllungsgehilfen von Mauss' privater Friedensmission auf, deren Interesse auf die Befreiung von Geiseln beschränkt gewesen sei. Die Verhaftung des Privatagenten erschien den Welt-Redakteuren dann auch als "Intrige", für die sich "höchste Behörden später entschuldigen werden".

Tatsächlich stellte die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft Ende Mai das Verfahren gegen das Ehepaar Mauss endgültig ein, sie erkannt auf Freispruch, und Mauss' Anwalt Egbert Wenzel konnte befriedigt feststellen, durch den Beschluß der kolumbianischen Ermittler sei sein Mandant in jeder Hinsicht rehabilitiert". Als Geheimagent enttarnt und damit "verbrannt", fristet er heute in seiner schloßartigen Residenz im Hunsrück eine Frührentnerexistenz, fühlt sich aber nach wie vor berufen, im sogenannten kolumbianischen Friedensprozeß mitzumischen. So fädelte er die Verhandlungen ein, die Mitte Juli im Würzburger Kloster Himmelspforten zwischen der ELN-Guerilla und Vertretern kolumbianischer Nichtregierungsorganisationen geführt wurden (Jungle World, Nr. 28/1998).

Die regierungsnahe kolumbianische Wochenzeitung Revista Semana wußte im Anschluß zu berichten, Schmidbauer habe bei dem Treffen "die Fäden gezogen". Der Minister ließ erwartungsgemäß dementieren und verschanzte sich hinter der Bischofskonferenz als offizieller Schirmherrin der Gespräche. Eigenartig jedoch, daß Schmidbauer parallel zum Friedensforum mit dem kolumbianischen Umweltminister und dem "Anti-Entführungszar" der Regierung Samper zusammentraf. Über den Inhalt der Gespräche verlautete wie üblich nichts.

Korrigiert am 7.6.2002