Annäherung von rechts

Rot-brauner Dialog: Nation & Europa plädiert für die PDS, Sachsens NPD ist auf Ostalgiekurs

Die Frage, wem man - außer der DVU und der NPD - am 27. September seine Stimme geben kann, beschäftigt derzeit Teile des rechten Lagers. Eine besondere Debatte wird im neofaschistischen Theorieorgan Nation & Europa geführt. Der Gesellschaftswissenschaftler Prof. Michael Nier aus Chemnitz hatte in einem Beitrag die PDS als für Neofaschisten wählbare Partei ins Spiel gebracht. Seine Begründung: Zum einen sei "die Masse der Mitglieder und Wähler der PDS national orientiert", zum anderen spreche für die PDS, daß sie "gegenwärtig die einzige bekannte Partei (ist), die sich gegen die neoliberalistische Globalstrategie wendet".

Niers Frage, ob man "PDS wählen" solle, stieß bei der Leserschaft des neofaschistischen Blattes durchaus auf positive Resonanz. Zwei Ausgaben später hieß es auf den Leserbriefseiten lapidar: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund!" Die PDS kämpfe ebenso wie Rechte gegen den Neoliberalismus und sei daher eine natürliche Verbündete. Ein anderer Leser sekundierte: "Der Löwenanteil der PDS-Wähler ist weitaus deutschvölkischer verankert, als das kulturbrüchige, umerzogene westdeutsche Wählerpotential."

Dieter Pott, Regionalbeauftragter der Deutschland-Bewegung Alfred Mechtersheimers, ergänzte, "daß die PDS- Führung bisher bewußt vermieden hat, diesem Umstand durch Änderung ihrer politischen Programmatik und Praxis Rechnung zu tragen".

Man kann hinzufügen, daß es die PDS tunlichst vermeidet, sich überhaupt mit den Annäherungsversuchen von Rechts auseinanderzusetzen. Zumal der Flirt auch umgekehrt stattfindet. Nachdem der Wir selbst-Redakteur Roland Wehl in der PDS-Zeitung Neues Deutschland ein Plädoyer für die Nation als "Sache des Volkes" halten durfte (Jungle World, Nr. 32, 33, 34, 35/98), mochte sich die AG Rechtsextremismus der PDS nicht zur Sache äußern. Begründung ihres Sprechers Norbert Madloch: Es ist Wahlkampf.

Gleichzeitig führte das ND seineDebatte zum Thema "Die Linke und die Nation" trotz heftiger Proteste aus der PDS weiter. Unter der Überschrift "Amerikanisierung brutal" polemisierte einer der Diskutanten gegen die Folgen "einer jahrzehntelangen volksfeindlichen Politik des transnationalen Kapitals". Der Autor des Beitrags: Prof. Michael Nier.

Ehemalige DDR-Bürger sind inzwischen auch von der extremen Rechten als Zielgruppe ihres politischen Werbens entdeckt worden. Am weitesten fortgeschritten ist dieses gar nicht mehr heimliche Liebeswerben bei der NPD in Sachsen. Als besonders ansprechbar gelten für sie "ehemalige Hoheitsträger und Führungskräfte der DDR". Die - O-Ton NPD - "Diskriminierung der Sachsen durch die westdeutsche Landesregierung in Dresden" müsse endlich ein Ende haben.

In einem jüngst in Sachsen verbreiteten Flugblatt verdeutlichte die Partei ihren Standpunkt. Die NPD sei eine "moderne und revolutionäre Partei", die sich gegen "kapitalistischen Extremismus und Fundamentalismus" wende. Sie befinde sich "im Abwehrkampf gegen den verbrecherischen US-Imperialismus" und sei ein "Bollwerk gegen den globalen Internationalismus". Und weiter: "In der Tradition der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung stehend", wolle man gegen "Zwangsprivatisierungen, Ausgliederung von kommunalen Dienstleitungen, Schließung kommunaler Einrichtungen", Massenentlassungen und andere soziale Mißstände ankämpfen.

Dieser scheinbar neue Tonfall in der extremen Rechten in Deutschland ist natürlich nicht wirklich neu. Von den Strasser-Brüdern bis zum Nationalbolschewisten Ernst Niekisch durchzog diese Argumentation den Faschismus der Weimarer Republik.

Die NPD wendet die alten rot-braunen Traditionen nun geschickt auf die heutige Situation im Osten an. Da erklärt sich die Nazi-Partei plötzlich mit Kuba solidarisch, und unmißverständlich wird die DDR als "das bessere Deutschland" bezeichnet. Das klingt alles sehr nach dem uns inzwischen bekannten Prof. Nier, der solche Argumente regelmäßig in Nation & Europa, Wir selbst und Neues Deutschland zum besten gibt. In der Tat liegt es nahe, daß Nier bei der Positionierung der sächsischen NPD seinen Beitrag leistet.

Ende Juni fand auf Initiative des Parteivorstands der NPD in Leipzig die konstituierende Sitzung eines Arbeitskreises Wirtschaftspolitik statt. Mit dabei: Prof. Nier. Weitere Referenten waren der Hamburger "Nationalmarxist" Reinhold Oberlercher, Prof. Gerhard Weppenich aus Leipzig, NPD-Jurist Günter Eisenecker und der Parteifunktionär Per Lennart Aae. Der NPD-Arbeitskreis hat sich zum Ziel gesetzt, überparteilich eine Diskussion "über Alternativen zur Globalisierung" anzuleiern. Es geht der NPD dabei um eine "raumorientierte Volkswirtschaft".

Daß diese nationalbolschewistische Linie, die vor allem die sächsische NPD forciert, Einbrüche im Sympathisantenfeld der PDS bewirken könnte, ist durchaus real. Doch der Ansatz ist auch innerhalb der NPD nicht unumstritten. Der Arbeitskreis soll offenbar dazu dienen, die Mitglieder - gerade auch im Westen - für den neuen Kurs fit zu machen.

Eine AG Nationaler Sozialisten in und außerhalb der NPD (AGnS) fordert zudem eine Nachbesserung des Parteiprogramms. Es braucht nicht viel Phantasie, um zu sehen, daß dies der Anfang einer Entwicklung sein könnte, bei der zusammenwächst, was zusammengehört.