Wahlkampf mit Pogrom

Antifas mobilisieren bundesweit gegen Nazi-Aufmarsch in Rostock-Lichtenhagen

Am Donnerstag vergangener Woche war es soweit. Rostocks SPD-Oberbürgermeister Arno Pöker verkündete das seit langem erwartete Verbot für den am Samstag geplanten Aufmarsch der NPD in Rostock-Lichtenhagen.

Anders als in Leipzig am 1. Mai oder in Dresden argumentiert die Stadtverwaltung in Rostock nicht nur mit der "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung". In einer Presseinformation der Hansestadt heißt es: "Das Verbot begründet sich u.a. damit, daß die Veranstalter mit dem Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen ein Symbol verwenden wollen, das an die ausländerfeindlichen Krawalle von 1992 erinnern soll. Daran darf nicht angeknüpft werden, da sowohl die Rostocker Bevölkerung als auch die Kommune ein Recht darauf haben, daß ihre Interessen geschützt werden." Rostock fürchtet um seinen Ruf.

Die rassistischen Pogrome vor dem ehemaligen VertragsarbeiterInnenwohnheim in Rostock-Lichtenhagen im August 1992, deren Bilder rund um die Welt gingen, sind noch heute ein Synonym für das "neue", wiedervereinigte Deutschland. Damals konnte sich der Mob aus rechten Kadern, rassistischen Jugendlichen und applaudierender Bevölkerung tagelang, ungestört von Polizei und Justiz, austoben und dabei das Haus, in dem sich zu diesem Zeitpunkt noch 115 VietnamesInnen befanden, mit Molotow-Cocktails in Brand setzen.

Sechs Jahre danach verweist man in Rostock vor allem auf die vielen Fortschritte und eine durchaus erfolgreiche Jugendarbeit, die dazu geführt hat, daß - anders als in Mecklenburg-Vorpommern üblich - in den meisten Stadtteilen tatsächlich keine rechte Hegemonie in der Jugendszene herrscht. Dennoch wird das Verbot des NPD-Aufmarsches vermutlich vor den Gerichten keinen Bestand haben. In Rostock hofft man daher auf "Zivilcourage gegen Rechts".

Schon seit Bekanntwerden der NPD-Pläne, zum Abschluß ihres "Schwerpunktwahlkampfes" mit mehreren tausend Anhängern vor dem Sonnenblumenhaus aufzumarschieren, mobilisieren unabhängige AntifaschistInnen zu Gegenaktivitäten. Inzwischen haben sich rund 50 Organisationen, darunter auch PDS, Bündnis 90/Die Grünen und SPD, in einem "Bündnis gegen Rechts" zusammengefunden. Ab acht Uhr morgens sind drei Kundgebungen in der Innenstadt angemeldet. Und neben einer Bündnisdemonstration unter dem Motto "Gemeinsam gegen Rechts", die um elf Uhr - zeitgleich zum NPD-Aufmarsch - in Evershagen beginnen und in Lichtenhagen enden soll, wird ab mittags vor dem Sonnenblumenhaus ein "multikulturelles Fest" unter Beteiligung der Norddeutschen Philharmonie stattfinden. Darüber hinaus ist für den Abend ein "Rock gegen Rechts"-Konzert geplant.

Noch ist unklar, inwieweit der Druck aus dem Schweriner Innenministerium, die antifaschistischen Gegenaktivitäten möglichst weit von der NPD entfernt zu halten und auf jeden Fall "Ausschreitungen" zu verhindern, zu Verboten oder Behinderungen für die Antifa-Aktionen führen wird.

Während die Stadtverwaltung und das "Bündnis gegen Rechts" mit einem farbenfrohen Schmetterling und dem Motto "Bunt statt Braun" rund 15 000 Plakate und Buttons in der Stadt verteilen und darauf hoffen, die Rostocker BürgerInnen auf die Straße zu bringen, versuchen unabhängige AntifaschistInnen aus dem autonomen Spektrum, auch die politischen Hintergründe für die Erfolge der NPD und ihren möglichen Einzug in den Schweriner Landtag zu thematisieren. Ein eigenständiger bundesweiter Antifablock auf der Bündnisdemonstration soll dazu beitragen, daß die Ursachen des Pogroms in Lichtenhagen - die ausländerfeindliche Politik der Regierung und die rassistische Stimmung in der Bevölkerung - nicht verschwiegen werden können.

Doch trotz aller politischen Differenzen hoffen auch die unabhängigen AntifaschistInnen darauf, "in der Bevölkerung eine allgemeine Stimmung zu schaffen, die sich gegen die Nazis richtet. Wir wollen an diesem Tag in Rostock so viele Menschen wie möglich aus unterschiedlichen politischen Spektren, vielfältig in gemeinsamer Übereinkunft handelnd, auf die Straße bringen", heißt es in einem Demo-Aufruf an AntifaschistInnen.

Antifa-Info-Hotline Rostock: 0381 / 45 43 10. Von Berlin aus fährt das "Berliner Bündnis gegen Rechts" nach Rostock. Karten sind in Berlin u.a. im Buchladen "Schwarze Risse" und im Kneipenkollektiv "Ex", Gneisenaustraße 2a, erhältlich.