Nächstes Planziel Sachsen

Knapp 2,2 Millionen wählten rechts. Und die NPD kann nach den Brandenburger Kommunalwahlen in zwei Stadtparlamente einziehen

Auf den ersten Blick könnten die Wahlergebnisse der rechten Parteien bei den Bundestagswahlen, den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern sowie den Brandenburger Kommunalwahlen als Entwarnung verstanden werden. Weder Republikaner noch DVU oder NPD haben den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde auch nur annähernd geschafft. Bei den Bundestagswahlen blieben die Reps mit 1,8 Prozent stärkste rechte Partei, gefolgt von der DVU mit 1,2 Prozent der Stimmen. Die NPD landete mit 0,3 Prozent weit abgeschlagen noch hinter dem rechten Newcomer Pro DM Partei auf den letzten Plätzen.

Dennoch lohnt ein genauerer Blick auf die Ergebnisse. Zählt man die Stimmen zusammen, die die sechs rechten Parteien Bund Freier Bürger, DVU, NPD, ÖDP, Pro DM und Reps bei den Wahlen zum Bonner Parlament erhielten, kommt man immerhin auf 2 182 510 Menschen, die sich für eine rechte oder neonazistische Partei entschieden. Hätte nur eine von ihnen kandidiert, wäre ein Stimmenanteil von über fünf Prozent möglich gewesen.

Während sich die DVU in den ostdeutschen Bundesländern als stärkste rechtsextreme Partei etablieren konnte, erzielten die Reps in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Berlin ihre besten Ergebnisse. Der DVU gelang es zudem, rund fünf Prozent aller Jungwählerstimmen im Osten zu gewinnen. Interessant ist, daß die Partei in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den spektakulären Ergebnissen der Landtagswahlen im Frühjahr fast zehn Prozent verlor. Trotzdem erzielte sie hier bundesweit mit 3,2 Prozent ihr bestes Ergebnis, gefolgt von Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Zu den größten Wahlverlierern gehört zweifellos die NPD, die ihre selbstgesteckten Ziele vollständig verfehlte. So verlor sie gegenüber den Bundestagswahlen 1994 rund 1,6 Prozent der Stimmen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern erhielt die NPD mit 10 688 nur ein Prozent der Stimmen. Auch Naziterrorist und NPD-Direktkandidat Manfred Roeder konnte in seinem Wahlkreis Stralsund nur knapp 1,5 Prozent verbuchen. Ähnlich bescheiden fiel das Ergebnis für die Landtagswahlen aus: Gerade einmal 1,1 Prozent entschieden sich für die Neonazis auf Landesebene. Damit ist der großartig propagierte und nach Umfragen durchaus greifbar nahe scheinende Einzug in den Schweriner Landtag zunächst gescheitert.

Demgegenüber glückte der NPD bei den Brandenburger Kommunalwahlen, bei denen sie insgesamt nur 0,05 Prozent der Stimmen erhielt, immerhin in zwei Kommunen der Einzug in die Kommunalparlamente. In Frankfurt/ Oder wird der 18jährige René Wegner und ein Vertreter des BFB ins Stadtparlament einziehen. In Fürstenwalde gelang es der NPD, ihre Sitzzahl in der Stadtvertretung auf zwei Sitze - für den 26jährigen Danilo Wilke und den 20jährigen David Kellert - zu steigern. Mit 0,8 Prozent der Stimmen erzielte die NPD in Brandenburg nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ihr bundesweit drittbestes Ergebnis. Bei den Erststimmen sammelte sie sogar rund drei Prozent, sprich fast 45 000 Stimmen.

Die Reaktionen der Naziparteien auf ihr schlechtes Abschneiden fielen geteilt aus: Bei den Reps zeigte man sich erleichtert, daß der Verlust gegenüber den Bundestagswahlen 1994 bei nur einem Prozentpunkt lag. Außerdem freut man sich bei den Reps über das schlechte Abschneiden der DVU. Ein Zusammengehen mit der DVU und der NPD wird vom etwas gemäßigten Schlierer-Flügel der Partei weiterhin abgelehnt.

Demgegenüber versucht man bei der DVU, genau diese Variante jetzt wieder ins Spiel zu bringen. Deren Zentrale ließ schon am Tag nach den Wahlen wissen, daß DVU-Chef Gerhard Frey ein Gesprächsangebot an den Rep-Bundesvorsitzenden Rudolf Schlierer gerichtet habe. In München tröstet man sich damit, daß die DVU immerhin stärkste Rechtspartei im Osten geworden sei und "daß in den Jungwählerstimmen die Stimmen der Zukunft liegen".

Und die NPD-Spitze? Parteichef Udo Voigt versucht es mit Durchhalteparolen. Die Wahlkampfkostenrückerstattung will man in den Landtagswahlkampf in Sachsen im kommenden Jahr investieren. Dort hat die NPD mittlerweile mehr Mitglieder als die Bündnisgrünen und rechnet sich nach wie vor gute Chancen aus, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Trotzdem steht den Neonazis - ähnlich wie Ende der sechziger Jahre - eine innerparteiliche Zerreißprobe bevor. Hatten die militanten Neonazis aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften während des Wahlkampfes den Kurs des Parteivorstandes relativ bedingungslos gestützt, ist jetzt davon auszugehen, daß sie den zweigleisigen Kurs - zwischen Sammlungsbewegung auf der Straße und Möchtegernwahlpartei - massiv in Frage stellen werden.

Grund zum Aufatmen gibt es nach diesen Wahlen ohnehin nicht. NPD und DVU nutzten den Wahlkampf insbesondere im Osten, um ihre Propaganda massiv an die Bevölkerung zu bringen. Und die NPD konnte ihre Strukturen vor Ort in Mecklenburg-Vorpommern weiter ausbauen. Außerdem ist das rechte und neonazistische WählerInnenpotential, das laut Umfragen zwischen zwölf und 17 Prozent der WählerInnen ausmacht, keineswegs verschwunden. Es hat sich bei der Stimmabgabe bei diesen Wahlen jedoch vor allem von taktischen Erwägungen und von der Zuspitzung auf die Frage "Kohl oder Schröder" leiten lassen. Diese Bedingungen werden im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen in Sachsen, den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin wegfallen. Und dann könnten die Ergebnisse durchaus alarmierend ausfallen.