Deutsche auf dem Balkan

Von Zagreb nach Pristina

Nachdem es der deutschen Außenpolitik 1991 gelungen war, das im Versailler Vertrag als Sperre gegen den deutschen Expansionismus geschaffene Jugoslawien endgültig zu zerschlagen, geht es acht Jahre später wieder um Deutschlands Einfluß auf dem Balkan. Schauplatz diesmal: das Kosovo; jene südserbische Provinz also, die Serbien bereits 1912 von den europäischen Großmächten zugestanden wurde.

Damals hatte ein Balkanbund, bestehend aus Griechenland, Serbien, Montenegro und Bulgarien, mit Unterstützung Rußlands das Osmanische Reich besiegt. Schon vor Ausbruch des Konflikts hatte Kaiser Wilhelm II. die Parole ausgegeben: "Die Großmächte müssen um den Kampfplatz einen Ring bilden, in dem der Kampf sich abspielt und zu bleiben hat." Er nannte dies "Lokalisierung des Krieges", heute besser bekannt unter dem Schlagwort "Konflikteindämmung".

Als sich der Balkanbund 1912 darauf verständigte, Albanien, das Kosovo und Teile Mazedoniens Serbien zuzuschlagen, sahen das Deutsche Reich und Österreich ihre Hegemonialstellung in Südosteuropa bedroht. Während der auf ihre Initiative eilig einberufenen Londoner Konferenz setzte Berlin die Gründung Albaniens durch - mit dem Ziel, Serbien und seinem Bündnispartner Rußland den Zugang zur Adria zu versperren. Während Albanien unter deutsch-italienische "Schutzherrschafft" gestellt wurde, bekam Serbien das Kosovo zugesprochen. Die in den Jahrzehnten darauf folgenden Auseinandersetzungen mit der serbischen Zentralregierung waren programmiert. Ein ständiger Konfliktherd innerhalb Serbiens (und später Jugoslawiens) war geschaffen.

Diesen auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiter zu schüren, gehörte zum Programm aller bundesdeutschen Nachkriegsregierungen. Seit Ende der siebziger Jahre - also noch unter der Regierung Schmidt - wurden die Bemühungen um eine Destabilisierung Jugoslawiens intensiviert. Der Bundesnachrichtendienst warb Ustascha-Repräsentanten und kroatische Separatisten als Kontaktleute in Jugoslawien und Deutschland an - und unterstützte deren Bewegungen nach Kräften. Damaliger BND-Chef war Klaus Kinkel, der später als Außenminister nahtlos an seine geheimdienstliche Wühltätigkeit anküpfen konnte: Dabei ging es zunächst um die Abkoppelung der halbindustrialisierten Republiken Slowenien und Kroatien vom landwirtschaftlich geprägten und hochverschuldeten Süden des Landes.

Parallel dazu begann Bonn, seine Unterstützung auch auf die albanischen Separatisten im Kosovo auszudehnen. Die Exilregierung der Kosovo-Albaner residiert in Stuttgart, Spendengelder für Waffenkäufe der UCK wandern über ihr Konto. Albanien wurde ebenfalls in den letzten Jahren mit deutscher Militärhilfe zum Nato-Brückenkopf gegen Milosevics Jugoslawien ausgebaut.

Den Krieg zwischen der UCK und den serbischen Truppen nutzte Bonn, um verstärkt Fuß auf dem Balkan zu fassen: Ohne die Krauts als politische, militärische und ökonomische Ordnungsmacht soll in Zagreb, Sarajevo, Belgrad und Sofia künftig nichts mehr laufen. Dafür stand in den letzten Monaten Wehrminister Rühe. Kein anderer drängte so vehement auf einen Nato-Militärschlag gegen Jugoslawien wie der deutsche Oberbefehlshaber.

Eine Abkehr von dieser deutschen Tradition auf dem Balkan ist auch durch den Regierungswechsel nicht zu erwarten. Bereits im November 1991 unterstützten Sozialdemokraten und Grüne mit großer Mehrheit die Position der Bundesregierung, Jugoslawien "notfalls im Alleingang" aufzulösen. Im September 1995 waren sie wieder dabei, als es in Bosnien um den ersten deutschen Kriegseinsatz seit 1945 ging.

Womit bei Rot-Grün auf dem Balkan zu rechnen ist, haben Scharping, Schröder und Fischer schon in den letzten Wochen klargemacht: mit nichts Neuem. Wo der amtierende Wehrminister für den Verzicht auf UN-Resolutionen plädiert, um ein schnelleres militärisches Eingreifen zu rechtfertigen, stehen ihm seine rot-grünen Kollegen in nichts nach - eine weitere Resolution des Sicherheitsrats hält inzwischen keiner der drei mehr für nötig.

Penetranter als unter Schwarz-Gelb dürfte allenfalls die Rhetorik werden. Die roten und grünen Minister werden von "humanitären Interventionen" schwafeln, wenn sie Kriegseinsätze meinen und daran zu glauben beginnen, sobald sie deutschen Offizieren für ihren Feldzug gegen Serbien erst einmal Bundesverdienstkreuze an die Uniform geheftet haben. Die Separatisten im Kosovo werden es ihnen zu danken wissen. Vielleicht steht neben dem Genscher-Denkmal in Kroatien demnächst eine weitere Statue als Anerkennung für die deutschen Wühlarbeiten auf dem Balkan: Joseph Fischer in Bronze auf dem Marktplatz von Pristina.