Vor dem Urteil gegen Monika Haas

Ohne Beweis

Beeilt hat sich der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main wahrlich nicht: Über 30 Monate zogen sich die Verhandlungen im Prozeß gegen Monika Haas hin, fast sieben Jahre lang wurde gegen die Frankfurterin ermittelt. Vor dem Urteil am kommenden Montag fordern die Ankläger nun zehn Jahre Haft.

"Ab und zu haben mich schon alptraumartige Vorstellungen beschlichen, ich könnte zur festen Einrichtung der Frankfurter Justiz werden." Die heute Fünfzigjährige, die vor ihrer Verhaftung im November 1994 als Frauenbeauftragte an der Frankfurter Uniklinik arbeitete, hat unfreiwillig eine ganze Menge zur Sicherung der Pensionsansprüche sowohl der Frankfurter Richter als auch der Ankläger aus Karlsruhe bewirkt. In Anbetracht des drohenden Urteils gegen die Frankfurterin aber verbieten sich flapsige Sarkasmen über das Justizgeschäft.

Anfang Oktober verschickte das Komitee für Grundrechte und Demokratie einen Rundbrief an die Presse, dem eine zusammenfassende Dokumentation des Verfahrens angehängt war. Es handelte sich um einen Hilferuf. Prozeßbeobachterin Helga Dieter, die anfangs aus ihrem Widerwillen, die Verhandlungen für das Komitee zu beobachten, keinen Hehl gemacht hatte, protokolliert dort: "Im bisherigen Prozeßverlauf ist mir klargeworden, daß ein so hanebüchenes Anklage-Konstrukt und eine so eindeutig auf Verurteilung zielende Handlungsführung, wo fanatische Rachgelüste rechtsstaatliche Prinzipien zu Zynismen verkommen lassen, nicht beobachtet, sondern parteilich bekämpft werden muß. Ich habe mich deshalb entschlossen, meine Distanz als Berichterstatterin aufzugeben und einen Besuchsantrag gestellt."

Das war im August 1996. Monika Haas befand sich noch in Untersuchungshaft und wurde mehrmals hintereinander für haftfähig erklärt, obgleich sie unter einem schweren Bandscheibenvorfall litt. "Gravierende Menschenrechtsverletzungen", so das Komitee für Grundrechte und Demokratie, das sicherlich nicht zur Solidaritätsklientel von Gefangenen aus oder dem Umfeld der RAF zählt, seien in diesem Prozeß an der Tagesordnung gewesen. Von Fesselstriemen wird da berichtet, vom Verbot für die Angeklagte, die leukämiekranke Schwiegertochter anzurufen. Monika Haas ist Mutter von drei Kindern, zwei davon waren, als sie 1994 verhaftet wurde, noch minderjährig.

Am 19. März 1997 schließlich wurde Haas aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation aus der Haft entlassen. Obwohl die Anklage sie zur Top-Terroristin der RAF hochstilisiert hatte, schien Fluchtgefahr auf einmal nicht mehr gegeben zu sein.

Eine Geheimdienstkiste. Der BND, die Stasi, auch Mossad und graue Herren anderer "Dienste" traten auf, meist verdeckt, versteckt, oder nur in den Aktenauszügen. Monika Haas soll, so die Anklage, nicht nur die Waffen für die Flugzeugentführung der "Landshut" im Jahre 1977 - während der Schleyer-Entführung - nach Mallorca gebracht haben und damit Mittäterin bei Entführung, Geiselnahme und Erpressung sein. Auch für versuchten Mord an GSG9-Beamten wird sie zur Rechenschaft gezogen. Es gibt für die Vorwürfe weder Zeugen noch Beweise. Grundlage sind immer Gerüchte, denn soweit "Belastungszeugen" überhaupt geladen werden konnten, hatten sie Sprechverbot, Erinnerungslücken oder konnten sich auf fehlende Aussagegenehmigungen für bestimmte "Verschlußsachen" zurückziehen.

Zu der Zeit, auf die sich die Vorwürfe beziehen, war Haas verheiratet mit einem hohen Funktionär der PFLP, einer militant agierenden Palästinenser-Organisation. Und - daraus hat sie auch vor Gericht kein Hehl gemacht - gehörte in den siebziger Jahren zu den Sympathisanten der RAF, allerdings nicht lange. Die RAF-Gefangenen haben ebenfalls öffentlich bestätigt, daß Monika Haas nie näher mit der Gruppe zu tun gehabt, geschweige denn Aufträge von ihr erhalten habe. "Ich habe die Waffen für die Entführung nicht nach Palma de Mallorca gebracht", endete das Schlußwort der Angeklagten am Nachmittag des 5. November.

Anders als andere hat sie sich jedoch geweigert, in den RAF- Verfahren der neunziger Jahre als Kronzeugin aufzutreten. Vielleicht ist es das, was die Bundesanwaltschaft so verbissen agieren ließ. Vielleicht ist es auch das durch einige Verfahrensmomente hinreichend angedeutete - wenn auch personell im dunklen gebliebene - Stück Geschichtsunterricht über die bleierne Zeit, wonach die "Dienste" durchaus über die beabsichtigte Entführung der "Landshut" informiert, wenn nicht sogar tiefer in sie verstrickt waren. Die Richter werden in ihrem Urteil sorgfältig vermeiden, diesen Aspekt überhaupt nur zu erwähnen.