Das Sozialamt macht's möglich:

Mit Low Tech in die Zukunft

So hatte sich Paul K. seine Karriere nicht vorgestellt. Jedenfalls nicht als Unternehmer, und schon gar nicht als selbständiger Autowäscher, der mit seinem mobilen "Beauty-Car-Set" im Parkhaus auf Kundschaft wartet. Was Paul K. zunächst für reine Schikane hielt, gilt beim Arbeitsamt Berlin-Mitte jedoch als besonders pfiffige Idee. Schließlich war schon die alte Regierungskoalition der Ansicht, daß eine neue "Dienstleistungsmentalität" nötig sei, um das Job-Problem zu lösen. Aus mutlosen Arbeitslosen sollen wagemutige Pioniere werden, die das Risiko einer Existenzgründung nicht mehr scheuen. Die Ämter bieten daher mittlerweile vor allem Weiterbildungskurse an, die zur Selbständigkeit verhelfen sollen. Zum Beispiel als Autowäscher.

Als Ungelernter habe er doch keine Chancen, bekam Paul K. daher bald nach seiner Anmeldung auf dem Arbeitsamt zu hören, eine "Qualifizierung" sei in seinem Falle einfach unvermeidlich. Eine dreimonatige Trainingsmaßnahme in der Fahrzeugpflege verspreche ungeahnte Möglichkeiten. Für die nötige Motivation sorgte der Hinweis, daß eine Weigerung eine sofortige Sperre nach sich ziehen würde.

Wenig später saß Paul K. gemeinsam mit 25 weiteren Arbeitslosen in einem Schulungsraum, darunter auch ehemalige Kfz-Mechaniker. Ein fünfwöchiger Theoriekurs sollte zunächst die Grundlagen vermitteln, dazu gehörte etwas praktische Psychologie ebenso wie technisches Know-how für die hohe Kunst der kleinen Lackreparatur. Anschließend erfolgte ein siebenwöchiges Praktikum bei "Beauty-Cars", der führenden Firma im Bereich der innovativen Autopflege. Wer schließlich alle Hürden erfolgreich bewältigt hatte, konnte dann endlich sein Glück als Unternehmer suchen: Die qualifizierten Putz-Profis erhielten das Angebot, sich mit einer mobilen Beauty-Car-Waschanlage selbständig in Parkhäusern zu stationieren.

Während sich die Arbeitsämter immerhin noch an einer Simulation von "Qualifizierung" versuchen, bereitet das Sozialamt erst auf diese höhere Form der Arbeitslosigkeit vor. Das konnte Karin S., Sozialhilfeempfängerin im Prenzlauer Berg, erfahren, als sie sich kürzlich im Bezirksamt zur Maßnahme "Integration durch Arbeit" einzufinden hatte. Vertreter mehrerer Unternehmen stellten sich vor, beschrieben ihre jeweiligen Tätigkeiten. Anschließend, das konnte sie zusammen mit rund 60 weiteren Teilnehmern schon dem Einladungsschreiben entnehmen, bestand dann "die Gelegenheit zur Bewerbung".

Die Auswahl konnte sich sehen lassen. Eine Firma suchte beispielsweise Fachkräfte bei der Neugestaltung des Anton-Seafkow-Platzes in Lichtenberg, vornehmlich im Bereich Müllbeseitigung und "Grünarbeiten". Oder die Firma LowTec. Das Unternehmen hat sich auf Putzarbeiten, vor allem bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WIP und in Krankenhäusern, spezialisiert. Sie bietet aber auch eine Weiterbildung zum Hausmeister oder einen Einsatz bei den sozialen Diensten an. Für alle ist etwas dabei: Wer jung, ambitioniert und lebenshungrig ist, darf auch beim Kulturzentrum Pfefferwerk werkeln.

Ganze 1 900 Mark im Monat gibt's dabei zu verdienen. Brutto, natürlich. Das ist zwar nicht viel, aber immer noch besser als nichts. Denn wer sich trotz der vielen lukrativen Angebote nicht entscheiden kann oder gar seine Arbeitskraft für sich behalten will, muß mit einer Sperre rechnen. Wer körperlich dazu in der Lage ist, hat nach dem Sozialgesetz die "Pflicht zur Arbeit". Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, verliert sein Recht auf Hilfe.

Ein weiterer Vorteil: Nach einem Jahr ist Karin S. wieder arbeitslosengeldberechtigt. Das ist dann zwar - angerechnet wird das letzte Netto-Einkommen - auch nicht höher als ihr bisheriger Sozialhilfesatz. Aber der Status des Arbeitslosen bietet schließlich wieder ganz neue Perspektiven. Denn dort gibt es die Möglichkeit zur Weiterbildung und Qualifikation. Und manche haben es da schon sehr weit gebracht. Wie man so hört, sogar bis zum Unternehmer.