Walser: Alles halb so schlimm!

"Warum dieses unterstellungsfreudige Mißtrauen gegenüber meinem Wortgebrauch?" fragte Martin Walser in einer Festrede anläßlich der 48. Duisburger Universitätstage am vergangenen Donnerstag. Und antwortete gleich selber: "Ich habe inzwischen erfahren, daß Intellektuelle, Politiker, Funktionäre, die nur lesen können, was ein Text sagt, aber nicht, was ein Text bedeutet, daß die in diesem Text sofort eine Schlußstrich-Mentalität entdecken." Und dafür gibt es einen Grund: "Wer literarische Texte liest wie den (...) Börsenbericht, der kann leicht das Gegenteil von dem verstehen, was da gesagt ist."

"Unter die Beschäftigung mit unserer Vergangenheit" will der Friedenspreisträger nämlich keineswegs einen Schlußstrich ziehen. Auch rufe er keine nationalistischen Topoi ab, wie zwei Duisburger Professoren ihm vorgeworfen hatten. Statt dessen empfahl er seinen ZuhörerInnen die Auseinandersetzung mit dem Leben des Leo Schlageter, der "einer der reinsten Menschen unserer Geschichte" gewesen sei. Schließlich habe der ehemalige Freikorpssoldat (Mitglied der NSDAP-nahen Großdeutschen Arbeiterpartei) bei seinen Attentaten gegen die französischen Besatzer im Ruhrgebiet immer darauf geachtet, daß kein Mensch zu Schaden kommt. Dafür, daß das Dritte Reich ihn "requiriert" habe, könne Schlageter nichts.

Der frühere DKP-Sympathisant Walser glaubt nicht, daß der Antisemitismus Anlaß zur Sorge gibt: "Nein, in diesem Land nicht!" sagte er gegenüber Jungle World. An Statistiken, die einen Anstieg des Antisemitismus unter Jugendlichen belegen, könne er nicht glauben.