Wollt Ihr die totale Reinkarnation?

Der antisemitische Esoteriker Trutz Hardo soll in der alternativen Ufa-Fabrik in Berlin auftreten

Das hatte sie sich fein ausgedacht, die Veranstaltungsgruppe der Berliner Ufa-Fabrik. Das einstmals besetzte Objekt, das mit freier Schule, Vollkornbäckerei und einer der renommiertesten Kabarett-Bühnen der Stadt noch immer als links-alternativ gilt, versucht schon seit geraumer Zeit, den gewachsenen spirituellen Bedürfnissen seiner Stammkundschaft Rechnung zu tragen. Aber warum immer nur obskure Sekten wie die "Holosophen" einladen? Zur Abwechslung wollte man mal eine der spirituellen Szenegrößen ins Programm schieben. Am kommenden Wochenende soll deshalb einer der bekanntesten deutschen "Reinkarnationstherapeuten" in der Ufa-Fabrik auftreten: Trutz Hardo alias Tom Hockemeyer.

Unter dem vielversprechenden Motto "Reinkarnation total" werden den Teilnehmern dabei nicht nur "die neuesten Beweise über die Reinkarnation", sondern auch "Rückführungsdemonstrationen" versprochen. Dabei wird der buddhistisch inspirierte Hardo seine Zuhörerschaft vermutlich auch mit einer ganz besonderen Art der Beweisführung konfrontieren, über deren Einfachheit sich kürzlich sogar das neue Rechtsaußenblatt Opposition wunderte: Alles halb so schlimm mit dem Holocaust. Die Juden haben es ja nicht anders gewollt!

In der auflagenstarken Esoterik-Zeitschrift Die andere Realität verkündet Hardo: "Viele Menschen hatten sich für ihr erneutes Erdenleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Reinkarnation als Jude ausgesucht, um ihren karmischen Ausgleich vor Beginn des Wassermannzeitalters zu bewirken. Und einige Tausend sind nur deshalb Juden geworden, um ihre Leidensbrüder und

-schwestern unterstützend und mitleidend in die KZs oder gar Gaskammern zu begleiten. Ich glaube, daß alles, was einem Menschen auf Erden passiert, einen Sinn hat und daher gerechtfertigt ist."

Der Grundgedanke Hardos zieht sich durch alle spirituellen Lehren, die von der stetigen Wiedergeburt der Menschen ausgehen, seien es nun Buddhismus, Hinduismus oder hierzulande etwa die Anthroposophie: Das Karma ist immer gerecht! In der Esoterik-Szene wird kaum jemand zu finden sein, der diesem "Gesetz" nicht zustimmen würde. Zwei der größten New Age-Bestseller auf dem deutschen Markt tragen nicht von ungefähr die Titel "Schicksal als Chance" und "Krankheit als Chance". Die Taten eines Menschen bestimmen dessen gesellschaftliche Position in seinem nächsten Leben - entweder zwanghaft oder durch "freie" Wahl. Hardo führt diesen Gedanken in einem Romanzyklus aus und wendet ihn im dritten Band, der den bezeichnenden Titel "Jedem das Seine" trägt, konsequent auf den Holocaust an. KZ-Schergen und die Waffen-SS werden so zu Erfüllungsgehilfen eines großen kosmischen Plans.

Nachdem ein geplanter Auftritt Hardos Ende 1996 in Darmstadt zu einer vielbeachteten Gegendemonstration führte, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. Hardo wurde wegen Volksverhetzung und Beleidigung des Andenkens Verstorbener angeklagt, Wohnung, Verlag und Druckerei durchsucht, wobei man lediglich noch der Druckplatten von "Jedem das Seine" habhaft werden konnte. Hardo, mittlerweile mitsamt seinem Verlag "Die Silberschnur" vom rheinischen Neuwied nach Berlin-Kreuzberg verzogen, wurde schließlich im Mai 1998 vom Amtsgericht Neuwied in beiden Anklagepunkten für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 4 000 Mark verurteilt. Vor Gericht revidierte Hardo seine Aussagen nicht, verstieg sich gar zu weiteren "Praxisbeispielen": "Eine Frau, die vergewaltigt wird, erhält damit die gerechte Strafe dafür, daß sie selbst einmal - als Mann - vergewaltigt hat."

Daß Hardo nun ausgerechnet in einem Ex-Besetzer-Projekt auftritt, kann nur auf den ersten Blick verwundern. Jan van Helsings Bücher unter dem Titel "Geheimgesellschaften" haben spätestens belegt, daß Rassismus und Antisemitismus in der Esoterik-Szene zur theoretischen Grundausstattung zählen und auf diese Weise weit in vermeintlich "fortschrittliche" Kreise reichen. Gegen die in diesem Spektrum allseits akzeptierten Rechtfertigungen werden indes vernünftige Argumente kaum weiterhelfen. Den Vorwurf des Antisemitismus kontert Hardo lapidar mit dem Hinweis, er selbst sei in seinem früheren Leben "ein Jude gewesen und unter dem Pogrom umgekommen".