Ende einer Volkswirtschaft

Die Berliner Nazikneipe Café Germania mußte schließen. Ein neues Projekt im Umland ist geplant

Das Café Germania und sein Betreiber, der bekannte Neonazi Andreas Voigt, haben aufgegeben. Am Dienstag vergangener Woche mußte Andreas Voigt die Schlüssel für den wichtigsten Treffpunkt der Berliner Neonaziszene abgeben. Genau elf Monate lang trafen sich in dem Lokal in Sichtweite zum Rathaus Lichtenberg Kader, Sympathisanten und Mitläufer aus dem gesamten Spektrum der rechten Szene Berlins. Mietschulden, öffentlicher Druck und polizeiliche Überwachung führten jetzt zur Kündigung für die rechtsextremen Cafébetreiber.

Von Anfang an machte ein unabhängiges Bündnis "Aktion gegen Rechts" mit Veranstaltungen und Demonstrationen gegen den Nazitreffpunkt mobil. Mehrfach gingen die Fensterscheiben zu Bruch - bis die Versicherung von Andreas Voigt sich weigerte, den Schaden zu begleichen, und die Nazis Sicherheitsscheiben aus Plastik einsetzen ließen. Zuletzt demonstrierten Anfang November rund 2 000 Menschen für die Schließung des Lokals. Auch die Beschwerden von AnwohnerInnen und PassantInnen über Pöbeleien und lautstarke rechtsextreme Musik aus dem Lokal hatten sich gehäuft. Schließlich reagierte auch das Bezirksamt Lichtenberg. Bürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS) stellte für eine gutbesuchte Informationsveranstaltung Räume im Rathaus zur Verfügung und wandte sich persönlich an die Hausverwaltung, um eine Schließung des Germania zu erreichen.

Das Gewerbeamt des Bezirks leitete Ermittlungen gegen die Betreiber ein, weil davon ausgegangen wurde, daß das Germania in einem Strohmannverhältnis betrieben wurde. Offensichtlich hatte der vorbestrafte Wirt Andreas Voigt seine 21jährige Freundin bei Vertragsabschlüssen vorgeschoben.

Aufgeben wollen die Neonazis allerdings nicht: Großformatige Aushänge an den Sicherheitsscheiben des Lokals kündigen einen Umzug des Germania an einen nicht genannten Ort im Berliner Umland an. Dort wollen die Neonazis dann auch ein eigenes Hotel eröffnen.

Im Bezirk Lichtenberg hatte sich das Germania nach seiner Eröffnung im Dezember 1997 innerhalb kurzer Zeit, Angaben des Berliner Innensenats zufolge, "zum wichtigsten Treffpunkt der rechtsextremistischen Szene in Berlin mit einem bundesweit hohen Bekanntheitsgrad entwickelt". Monatlich fanden hier Koordinierungstreffen von neonazistischen Kameradschaften aus Berlin und Brandenburg statt. Insbesondere dem zur Zeit wegen Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung inhaftierten Frank Schwerdt aus dem NPD-Bundesvorstand diente das Germanencafé als "Sammelpunkt" für seine Anhänger.

Sogenannte "nationale Liederabende" - beispielsweise mit dem Frankfurter JN- Kader und Frank-Rennicke-Imitator Jörg Hähnel -, Schulungsveranstaltungen sowie "deutsche" Speisen ergänzten das Angebot an die rechte Klientel. Gesichtskontrollen am Eingang sorgten dafür, daß die mit Anzeigen in einschlägigen rechtsextremen Publikationen umworbenen "nationalen Aktivisten und Patrioten" unter sich blieben. Auch wenn denen der Service nicht immer paßte, wie einige enttäuschte Kader aus Westdeutschland anmerkten, die auf der Suche nach örtlicher Naziprominenz im Germania strandeten.

Bei Landsermusik und Met wurden ungestört Angriffspläne auf vermeintliche politische Gegner geschmiedet. Rund ein Dutzend Ermittlungsverfahren wegen szenetypischer Delikte wie gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sind mittlerweile gegen Cafébesucher anhängig. Mehrfach hatten Gäste des Germania, wie beispielsweise der Berliner Anti-Antifa-Kader Oliver Schweigert, bei antifaschistischen Demonstrationen TeilnehmerInnen bedroht und fotografiert. Einen wichtigen Stellenwert hatte das Germania jedoch nicht nur für die organisierte Neonaziszene. Das Lokal entwickelte auch eine große Anziehungskraft auf rechtsgerichtete Jugendliche, die hier den Einstieg in den organisierten Rechtsexremismus suchten und nicht selten auch fanden.

Ob das angekündigte neue Lokal mit Hotel im Umland dieser Funktion in ähnlicher Weise gerecht werden kann, wird sich zeigen. Auch der neue Plan ist jedenfalls Teil der seit einigen Jahren von Rechtsextremisten verfolgten Strategie, flächendeckend eine eigene Infrastruktur von Läden und Lokalen aufzubauen. Doch damit haben sie - auch außerhalb Berlins - nicht überall Erfolg. In Augsburg mußte der von einer NPD-Kaderfrau betriebene Laden "Befreite Zone" nach wenigen Wochen und politischem Druck sowie gerichtlichen Auflagen wieder schließen.

Unbehelligt ist bisher allerdings der Club 88 in Neumünster geblieben, der sich ganz nach dem Vorbild des Germania innerhalb eines Jahres zu einem überregionalen Treffpunkt vor allem für die norddeutsche Neonaziszene entwickeln konnte. Die Parallelen sind augenfällig. Auch in Neumünster hält eine junge Frau die Konzession, während im Hintergrund ein altgedienter Neonazikader die Fäden zieht und über den Club Ordnertruppen für NPD-Aufmärsche zusammenstellt.