Rechtsrock läßt den Rubel rollen

Beim Höhenflug der Sony-Band Weissglut stehen alle Zeichen auf Bauchlandung

Rechtsrock boomt. Die Musikindustrie hat den Trend erkannt, daß sich mit rechten Bands gut Geld machen läßt. Reaktionärer Lifestyle und faschistoide Ästhetik sind aus der subkulturellen Nische herausgetreten und im Mainstream angekommen. Am augenfälligsten zeigt sich dies am Beispiel der Band Weissglut um den Antisemiten Josef Klumb, die für ihre LP "Etwas kommt in deine Welt" von Teilen der Musikpresse geradezu als Überflieger gefeiert werden.

Klumbs braune Gesinnung ist hinreichend bekannt. Jörg Hacker, Chef des Sony-Labels Epic, auf dem Weissglut veröffentlicht, reagiert auf entsprechende Informationen seit Monaten mit Verleugnung und Verharmlosung. "Wenn nichts Belastendes zu Tage kommt, sehen wir keinen Grund, der Gruppe nicht weiterhin den Rücken zu stärken", erklärt er der MUSIKWoche. Auch Rock Hard und Metal Hammer springen auf den Zug auf und überbieten dabei sogar die rechtsextreme Junge Freiheit mit ihrem relativierenden Geplapper. Die jüngsten Entwicklungen im "Fall" Weissglut werden Hacker allerdings in Argumentationsnot bringen und es ihm schwer machen, weiterhin belegte Tatsachen als bloße Gerüchte abzutun.

Zur Erinnerung: Nach ersten Hinweisen auf den Vertragsabschluß zwischen Sony und Weissglut in der Jungle World (Nr. 42/98) griff der Spiegel (Nr. 44/98) die Informationen auf. Das Blatt zitierte Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS): Schobert sei "mit dem Begriff Nazi vorsichtig, aber in diesem Zusammenhang muß man wirklich von einem Nazi sprechen".

Daraufhin erstattete Klumb Anzeige wegen Verleumdung. Die Justitiarin des Spiegel teilte im Gespräch mit Jungle World mit, daß Weissglut über die Anwaltskanzlei Lichte, Schramm und Scheuermann den Spiegel mehrmals zur Gegendarstellung aufgefordert hatte. Der Spiegel sah keinen gültigen Anspruch und lehnte den Abdruck einer Gegendarstellung ab. Die Anwälte versuchten daraufhin, bei der Pressekammer des Hamburger Landgerichtes eine Unterlassungserklärung gegen den Spiegel zu erwirken. Mitte Dezember wurden die Akten beim Gericht wieder abgeholt, der Antrag auf Unterlassung zurückgenommen. Anscheinend hatte das Gericht signalisiert, daß das Begehren auf Unterlassung keine Aussicht auf Erfolg habe, da der "Nazi"-Vorwurf angesichts der geltend gemachten Tatsachen von der Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt sei. Nun gibt es zwar kein schriftliches Urteil, daß man Klumb einen Nazi nennen dürfe, der Rückzug des Antrags auf Unterlassung spricht allerdings für sich.

Das dürfte nicht nur die Musikpresse wurmen, die den Nazivorwurf vorschnell als unhaltbar abgetan hatte. Vor allem mit Hackers Glaubwürdigkeit ist es nicht mehr weit her. Sollte er tatsächlich "die Vorwürfe ernst nehmen", wie er versichert hatte, müßte er spätestens jetzt den Vertrag mit Weissglut auflösen.

Während Klumb juristisch gescheitert ist, hat seine Opferstilisierung publizistischen Erfolg. Die MUSIKWoche fragt, ob er "das Opfer der persönlichen Hexenjagd eines eifrigen Soziologen ist." (MUSIKWoche, Nr. 46/98) Und die Rock Hard (Nr. 1/99) spricht von "scheinheiligen Moralaposteln" und Leuten, die der Band "permanent Steine in den Weg legen". In Zeiten, wo Walsers Opferrhetorik und Schlußstrich-Forderungen begeistert aufgenommen werden, tut man sich auch in der Musikpresse leicht, den Antisemitismus eines deutschtümelnden Eso-Wirrkopfs zu relativieren: "Tatsächlich hat Klumb sich schon über 'intolerante Antifaschisten' geäußert, und auch den Zionismus kritisiert", das gehe aber nicht mit einer generellen Feindseligkeit Juden gegenüber einher. "Josef Klumb mag Künstler des Dritten Reiches, die deutsche Kultur an sich, was aber wiederum nicht mit Hitler-Liebe ('Man kann positiv zu Deutschland stehen und Hitler gerade deshalb nicht mögen.') gleichzusetzen ist. Die sehr eigentümliche Ausdrucksweise des Sängers (...) trug/trägt zudem zur Irritation bei", wird der Leser im Metal Hammer (Nr. 1/99, S.27) belehrt.

Auch die Rock Hard hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten. Hier wurde Klumb nach seinen Verbindungen zu dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Jan van Helsing, alias Jan Uwe Holey gefragt. Holey ist Autor des in der Schweiz verbotenen und in der BRD beschlagnahmten mehrbändigen Machwerkes "Geheimgesellschaften", in dem die antisemitische Propaganda der gefälschten "Protokolle der Weisen von Zion" in esoterischer Verpackung neu aufgelegt wird. Klumb plaudert von seiner gemeinsamen Vergangenheit mit Holey in der Frankfurter Punk-Szene, um schließlich dessen antisemitische Machenschaften als "Entdeckung der Esoterik" zu verharmlosen. Auf Holeys Vorstellung von einer Weltverschwörung des "internationalen Judentums" angesprochen, meint Klumb, man müsse das "differenzierter sehen. Er redet nicht vom Judentum, sondern vom Zionismus - das ist ein großer Unterschied." Wie viele, die's nötig haben, betont er: "Ich habe einige jüdische Freunde, und selbst die sehen den Zionismus als etwas sehr Radikales, Fundamentalistisches." Und als wäre der Talmud ein Produkt des Zionismus, fährt er fort: "Im Talmud stehen einige sehr harte Sachen; die Zionisten gehen ja sogar gegen ihre eigenen Leute vor."

Diese Rechtfertigung liegt voll auf der Linie früherer antisemitischer Ausfälle Klumbs, die Rock Hard bekannt sein müßten. Immerhin zitiert das Magazin eine Passage aus Klumbs Brief vom 13. Oktober 1995 an das Bingener Jugendzentrum. Auch hier findet sich dieselbe Trennung wie im Rock Hard-Interview: "Man sollte von vorn herein wissen das JUDENTUM und ZIONISMUS nicht eins sein müssen." In abenteuerlicher Syntax und Rechtschreibung zieht Klumb weiter vom Leder: "ZIONISMUS ist FASCHISMUS in perfektion. Wir erleben es derzeit im konflikt mit den Palästinensern. Man befasse sich mit dem Glauben und den Gesetzen zionistischer glaubensfanatiker. Im Talmud steht offen wer hier das auserwählte volk und wer die zu versklavende masse ist. Man befasse sich mit dem 1ten und dem 2ten Weltkrieg mal aus okkulter sicht. die gründung des staates israel und wie dies möglich wurde. (...) Ich darf aus rechtlichen Gründen die genauen Hintergründe dieser Tatsache nicht weiter berühren. Aus geheimen Quellen wissen wir wie stark das NAZI REGIME weit vor Machtergreifung von zionisticher Seite mit finanziert wurde, die Gelder welche über die IG FARBEN der SS zuflossen kamen auch nicht von irgendwoher."

Ganz wie bei van Helsing, sind die Juden selbst schuld an ihrer Vernichtung. Für Klumb war "die Herrschaft der NAZIS eine der geschicktesten inszenierung der weltgeschichte überhaupt, ihre folgen für mein Vaterland und die generationen verheerend und katastrophal. Ich weis leider wie sehr gewisse bruderschaften an diesem fiasko beteiligt waren, die keine kosten und mühen scheuten, dies hier zu inszenieren,und gleichzeitig nach dem Ende des Spukes auch noch gericht halten durften. Wer weis schon wie tief der angebliche Nazijäger SIMON WIESENTHAL in früher ZEIT mit der GESTAPO kollaborierte. Der jüdische Bundeskanzler Bruno Kreisky der wohl kein ZIONIST ist wußte darüber zu berichten. Überhaupt wissen sehr viele juden eine Menge zu berichten in Bezug auf die Machenschaften ihrer ZIONISTICHEN stammesbrüder." So gibt uns der Rechtsrocker einen tiefen Einblick in die Abgründe des esoterischen Antisemitismus. Ob Klumb solchen gemeingefährlichen Schwachsinn auch im dreistündigen Rock Hard-Interview, das nur in Auszügen abgedruckt wurde zum besten gegeben hat?

Wer wie Rock Hard Weissglut "unschuldig auf der Anklagebank" sieht und wie der Metal Hammer solche Äußerungen als "Irritation" durchgehen läßt, macht sich nicht nur zum verlängerten Arm der Sony-Verharmlosungs- und Verleugnungspropaganda, sondern auch zum Sprachrohr eines völkisch-esoterischen Antisemiten.